Altes Tagebuch seit 1976...
habe es wirklich aufbewahrt und über die Jahre behalten. Seit paar Wochen tippe ich es ab und wunder mich wie verrückt junge Menschen sind... nicht das richtige Wort "verrückt"... was ist es dann?

Ende August 1976


 

Der Urlaub in England war astrein. Wir haben uns Abends immer am Lake getroffen, geraucht und Sidre getrunken oder waren Nachts nackt im Meer baden. Auf klapprigen Fahrrädern ging es meisst sehr spät recht eierig zurück zu den Gasteltern. Tagsüber war Englisch Unterricht oder ein paar Ausflüge mit einem Reisebus nach Bournmouth, London oder ans Meer. Ich möchte so gern wieder nach New Milton. Nicht nur das, ich möchte auch alle Wiedersehen. Veronique, Paul, Brice, Melkem, wie sie alle heißen. Hat es einen Sinn, über Vergangenes zu trauern? Man sollte sich freuen, so eine schöne Zeit erlebt zu haben, aber man will alles wiederhaben. Warum auch nicht? Man wünscht sich das Gute, das Schöne, die Gemeinsamkeit. Auf der Abreise nach Deutschland war ich fast am heulen. Alles vorbei? Ich glaube alle wünschen, daß eine schöne Zeit nie zu Ende geht.


 

1977


 

Das Einzige was ich mit Sicherheit über das Leben, die Gesellschaft und mich sagen kann, ist: "So kann und darf es nicht weitergehen." Über meine Zukunft kann ich noch Einiges hinzufügen: "Entweder lebe ich in der Gesellschaft und kämpfe gegen sie, oder ich werde mich absondern und mit einzelnen Menschen eine andere Gesellschaft aufbauen." Das ist hier alles so absurd und wird von den Menschen so kurzsichtig gesehen, daß sie es nicht einmal merken und sogar zum größten Teil als gut empfinden. Es entsteht die Frage, was denn Gesellschaft überhaupt ist. Die Gesellschaft sollte ursprünglich das Zusammenleben der Menschen ermöglichen und fördern. Doch Heute ist die Gesellschaft zum Selbstzweck geworden, die sich den Menschen zum Werkzeug macht. Wer hat die Gesellschaft dahin gebracht, wo sie Heute steht? Es muß jemand sein, der Profit aus der Lage zieht. Diese Jemanden gibt es, die haben die ganze Macht. Man hat nie Alternativen, sei es im Kindergarten, zu Hause oder in der Schule. Ohne selbst etwas erfahren zu müssen wird einem alles ins Gehirn geschliffen.


 

Ende September 1978


 

Vor fast 18 Jahren wurde ich geboren und erblickte das Licht - oder besser gesagt: auch die Finsternis dieser Welt. Daß es in dieser Menschenwelt recht wenig Licht gibt, wurde mir erst in der letzten Zeit bewußt. Vorher ging ich eifrig zur Schule - was ich auch jetzt Freitags und Samstags noch mache - und wäre fast ein Mensch wie jeder andere geworden. Kann auch sein, daß ich nur glaube, anders zu sein. Möglich. Es geht nicht mehr so weiter, sagt sich so leicht, weiß nicht, was ich anderes machen will. Als kleines Kind hatte ich immer gebetet: "Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens." Morgen früh werde ich wie von Geisterhand gesteuert den alten Tagestrott antreten. Praktikum im Kindergarten, reglementiertes Chaos, unmengen von Kaffee, Rausgehverbot bei "schlechtem" Wetter und faulenzende Erzieherinnen mit Krimsekt und Lachsbrötchen in der Küche. Die Kaffeemengen, die ich in mich hineinschlucke werden meinen Kreislauf töten, aber noch nicht jetzt. Erst wenn ich so abhängig von diesem Leben bin, daß ich es nicht mehr ändern kann. Bis dahin habe ich jedoch noch Zeit und Kraft genug, meine Arbeitskraft zu verbrauchen. Unglaublich so etwas. Wann bin ich endlich 18 und kann diesem Scheiß zumindest für mich ein Ende setzen? Erst im März 1979, eine Ewigkeit wenn man die Stunden zählt. Wenn ich endlich frei habe, - wir Menschen sind nicht frei, wir haben ab und zu frei - um 16 Uhr, denke ich mit Schrecken an den nächsten Tag, der mir genau das Gleiche bringen wird. Wenn Gott mich in die Welt gesetzt hat um so zu leben, dann darf sich niemand wundern, wenn ich in die Versuchung komme diesem Gott, oder diesem Leben langsam mal "danke" zu sagen. Was will ich denn mal werden? Ich weiß es doch nicht. Ich will ich selbst werden, mich entfalten und Erfahrungen machen anstatt stupide vor mich hin zu leben, süchtig nach dieser Gesellschaft, abhängig vom Konsum und stupide vom Konkurenzdenken zu werden. Das ist der Unterschied. Ich bin nicht süchtig. Noch nicht? Oder doch? Ich bin schon etwas abhängig und unfähig mich zu bewegen. Man hat mich schon eingesponnen und eingeschleimt mit Versprechungen von Autos, Luxus und allem Pipapo. Kann ich nicht einfach mein Leben beginnen und selber formen anstatt mich in eine Form hineinquetschen zu lassen? Im Moment bin ich nur wie eine Maschine und hoffe, daß die Verwandlung zurück bald gelingt.


 

04.02.1979


 

Der Horizont hält mich gefangen, doch meine Gedanken kann er nicht bezwingen. Sie dringen durch die sich fortwährend erbrechende Stadt hinaus ins Grenzenlose, begleitet von ewigen Farben und ewiger Musik, ewiger Freiheit und ewiger Freude. Ich würde mich gern ins Unendliche hinaufschwingen, doch zu dick ist die Verbindung zwischen Körper und Geist. Der Körper ist für sein ganzes Leben dazu verdammt, ein Sklave seiner Bedürfnisse zu sein. Was bin ich? Körper oder Geist?


 

Hinweg mit euch

ihr schwarzen Mauern,

ihr Schornsteine der Fabrik.

Ich fliege zu den Farben,

höher - hoch hinaus,

bis mich umarmend 

das Licht berührt.


 

06.02.1979


 

Wohin führt mein Weg? Warum frage ich? Das Einzige was ich wirklich weiß ist die Tatsache, daß ich in diesem Augenblick existiere. Ist das nicht genug? Warum muss man immer in die Zukunft schauen? Haß, Kriege und Kämpfe hätten dann ein Ende, übrig bliebe so die Liebe. Aber die Zukunft wird nicht abgeschafft, sie wird einem einsuggeriert, weil ein paar herzlose Leute, die die Liebe nicht kennen ein schönes Leben in Saus und Braus haben wollen.

Der Blick auf die Stadt bringt sie mir wieder ins Bewusstsein, diese unbeschreibliche Angst beim Anblick der sterbenden Bäume, welche von schwarzen Schornsteinen überragt und von tötendem Gas und Dreck 

umhüllt werden. Wo wende ich mich hin? Zum Sterbenden um zu sterben, oder zum Tötenden um zu töten und zuletzt auch mich selbst, oder wende ich mich ab und entziehe mich, ohne selbst zum Zerstörer zu werden, den Klauen der Zivilisation? 


 

März 1979


 

Mein Herz ist erfüllt von einer Traurigkeit wie ich sie nie kannte. Eine Welt voller Kriege, Unterdrückung und Geldgier. Das ist nichts für mich, ich passe da nicht rein. Und doch werde ich drin leben müssen - so kann ich nur versuchen, in meiner Umgebung den Frieden einkehren zu lassen. Nicht nur in die Herzen sondern auch in die Taten. Ich schäme mich meiner Tränen nicht, denn es sind nicht nur meine. Die ganze Welt weint und wendet sich angeekelt ab von dem was wir Zivilisation nennen. Was kann ich dazu beitragen, eine bessere Welt zu schaffen? Kommt nicht auch diese Welt von Gott, wenn überhaupt? Es ist wieder mal so weit. Ein neuer Krieg scheint auszubrechen. Sterben nicht durch Hunger, Krankheit und Elend schon genug Menschen und vor allem Kinder? Wenn der Mensch die "Krone der Schöpfung" ist, wie ich es in der Schule gelernt habe, wieso verdammt noch mal unternehmen die schlauen Erwachsenen in den Spitzenpositionen nicht mal etwas wirklich Sinnvolles und Positives im Sinne der Menschen....??? Nebenbei habe ich hier einen Musterungsbescheid liegen. Wozu soll das gut sein? Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Nichts geht mehr, selbst das Schreiben ist sinnlos.


 

Stehe an der Hauswand und denke das Wort "immer". Man ist für immer tot. Ewigkeit. Aber alles was der Körper ist, existiert doch weiter, ist sowieso im permanenten Austausch und Wandel mit der Welt. Immer. Was bin dann ich? Das Denken? Gefühl und Geist? Bin ich nach dem Tod für immer weg? Einfach nicht mehr da? Das kann nicht sein. Vielleicht ist der Tod eine Art Übergang in ein anderes Bewustsein, wo der Körper keinen Raum hat? Jedenfalls wird mir bei der Vorstellung von Ewigkeit immer schwindelig und unwohl im Magen wie bei Fahrten mit der Achterbahn.


 

Ich fühle und denke etwas, verpacke es in ausgewählte Worte und schreibe oder spreche sie. Jemand der sie hört oder ließt kann unmöglich meine Gedanken und Empfindungen nacherleben, weil er die selben Worte mit eigenen Gedanken und Empfindungen verknüpft. Ist gar nicht anders möglich. So ist jeder Mensch in seinen eigenen Vorstellungen gefangen. H.Hesse: "Kein Mensch fühlt im anderen eine Schwingung mit, ohne daß er sie selbst erlebt hat."


 

11.03.1979


 

Warum lebe ich so? Morgen ist der schon so lange ersehnte Tag endlich da. Und was ist? Nichts. Es geht alles normal weiter. Bin ich schon gefangen in der Gesellschaft? Aber ich doch nicht!

Ich habe Angst vor der Zukunft. Die Einsamkeit die ich oft verspüre wird mich immer verfolgen. Das tut weh. Das Leben erscheint mir sinnlos. Bin weniger als ein Tropfen im Meer. Fast niemand würde es bemerken, wäre ich plötzlich nicht mehr da. Das Leben ginge normal weiter, nur ohne mich. Ein gezielter Sprung aus dem Fenster und ich bin am Wäschepfahl aufgespießt...


 

04.04.1979


 

Ist es wirklich so toll, 18 Jahre alt zu sein? Ist irgend etwas anders? Mit Sicherheit hat sich mein Leben nicht von Heute auf Morgen verändert. Doch fühle ich, daß ich mich auf ein Ziel zubewege, das mir noch nicht so recht bekannt ist. Im Moment bin ich ein ganz normaler Staatsbürger, aber nur äusserlich und das auch nicht mehr lange. Komme schon wieder in Versuchung, an die Zukunft zu denken. Das hält mich vom gegenwärtigen Leben ab. Kann nicht ganz los lassen, auch nicht bei den Meditationstreffen. Wie soll es möglich sein, nicht zu denken, zu träumen oder gar einzuschlafen, wie Gestern fast passiert.

Die teilweise bewaldeten Hügel in der Ferne rufen mich, doch bin ich nicht spontan genug, einfach los zu laufen. Statt dessen denke ich an meine Englandfahrt in 10 Tagen, meine Griechenlandfahrt im Sommer - doch wenn es soweit ist, denke ich bestimmt genau wie jetzt, wieder an die Zukunft. Das will ich nicht, denn ich werde nicht immer eine Zukunft vor mir haben. Was, wenn mir erst auf dem Sterbebett klar wird, wie wenig ich gelebt habe, weil ich immer in die Zukunft schaute, statt im Hier und Jetzt zu sein?

Gleich habe ich meine 9. Fahrstunde. Hoffentlich bestehe ich Anfang Mai den Führerschein.


 

05.04.1979


 

Schon wieder ein Tag vorbei. Ein Tag ohne Sinn, ohne Zweck, ohne Ziel. Morgen werde ich nur bis Mittags arbeiten und dann die Fahrkarte nach England besorgen. Raus aus der Routine, aus den immer gleichen Tagesabläufen und der inhaltlich schwachen Ausbildung. Im Moment denke ich wieder mal, wie es mir Morgen um diese Uhrzeit geht. Die Zukunft lässt mich nicht in Ruhe.

Ich frage mich oft, warum ich so geworden bin wie ich bin. Lag es am Umgang? An gelesenen Büchern, geschauten Filmen? An der Erziehung meiner Eltern? Hoffentlich lag es auch an Gott. Hat er meine Gebete erhört? Ist lieben das gleiche wie verstehen? Muss man, um jemanden verstehen zu können, die gleiche Meinung haben wie er? Mit Sicherheit nicht. Für Heute mache ich Schluss.


 

08.04.1979


 

Der dritte Tag auf dem Jugendgruppenleiterseminar. Fühle mich schon wohler, doch so ganz toll ist es hier nicht. Heute sind 12 Leute auf meinen Vorschlag hin spazieren gegangen. Endlich mal wieder an die frische Luft und nicht tagaus, tagein in Schulungsräumen sitzen - in einem Haus mitten im Wald. Im Moment sehe ich kein großes Ziel für mein Leben. Wozu auch? Ich freue mich wahnsinnig doll auf England, das ist ein Stück Freiheit, die mir im Moment so sehr fehlt. Ich glaube, ich werde den Sinn meines Lebens auf augenblickliche Freuden beschränken.


 

15.04.1979


 

Hier in England bin ich anders als sonst. Bin meinem Ideal näher gekommen. Ich wohne in einer grossen Wohngemeinschaft, es ist wie in einer richtigen Familie. Ein Grieche, ein Iraner, ein Türcke und ein Pakistani. Heute habe ich drei Jesusfilme gesehen. Im August kommt Max, der Iraner nach Deutschland. Dann werden wir vielleicht zusammenziehen.


 

21.04.1979


 

Bin wieder zu Hause und Montag fängt der Alltag an. Ich glaube nicht, daß ich jemals in dieser Gesellschaft froh werde. Ich spüre es. Es muss bald etwas passieren, es kann nicht so weiter gehen. Sehe gerade eine Reklame für die Krebsvorsorge. "Rauchen sie nicht..." Natürlich rauche ich. Das ist gesellschaftlich so vorprogrammiert durch Werbung, durch die Suchtsstoffe, durch das "frei fühlen" wollen. Wenn die Menschen schon nicht frei sind, wollen sie sich zumindest durch Konsum und auch durch das Rauchen frei fühlen. Das war doch cool in der Tanzschule, 14jährig Bier und Zigarretten zu bekommen. Davon sind die Tanzschulbesitzer mit den Jahren wohlhabend geworden. Die Krebsvorsorgereklame hat im besten Fall die Funktion anzudeuten, daß jeder Mensch für sein Leben selbst verantwortlich ist, was natürlich Quatsch ist, denn alles was es gibt ist schon als Besitz aufgeteilt. Für uns Jüngere bleibt da nichts mehr übrig. Was soll man da tun? Erst mal eine rauchen. Schon auf meiner ersten Englandfahrt, 1976, kaufte sich jeder eine Stange Benson & Hedges für 25 DM. Da war ich 15! Die Stange war nach 10 Tagen verraucht. Wir spenden unser Taschengeld den Tabackkonzernen und den Steuergeldern und lassen uns von steuergeldfinanzierten Filmen vom Nichtrauchen überzeugen. Nein, so einfach funktioniert das nicht, wie die sich das vorstellen - oder verdienen die nur ganz gut an beiderlei Beeinflussung? Egal. Auf der Rückfahrt von England traf ich zwei Leute, die gerade aus Indien kamen. Sie lebten sieben Monate in einem Projekt, wo Leute in einer Kommune zusammenleben und ein eigenes Dorf aufbauen. Naturnah, selbstbestimmt, fernab von dieser Gesellschaft. Das wär was... aber nein, ich gehe Morgen wieder in den Kindergarten - ein Jahr Praktikum um mal Sozialarbeiter zu werden ... wenn überhaupt.


 

24.04.1979


 

Die Leiterin des vorigen Kindergartens will mir nicht die Bescheinigung über den Erfolg der Teilausbildung ausstellen, weil ich in einer Zeitung einen kritischen Artikel veröffentlicht habe, und weil sie mich als ich krank geschrieben war bei einer praktischen Fahrstunde, sowie bei der Jugendarbeit gesehen hat. Das bedeutet, daß ich die Klasse 11 der Fachoberschule wiederholen muß. Ne, das ist nicht drin. Mich lässt das irgendwie kalt. Ich sehe den Dingen aus großer Entfernung zu. Mein Bezug zum Göttlichen ist stärker als zum Irdischen.


 

27.05.1979


 

Ich bete oft zu Gott, daß er mich als ein Werkzeug seines Friedens benutzt. Ich glaube, ich nähere mich dieser Zeit. Meine Gedanken sind klarer geworden, das Leben ist nicht mehr so sinnlos, und es gibt viel für mich zu tun. Überall muss etwas verändert, oder was schon gut ist, verstärkt werden. Da bleibt keine Zeit, über mich selbst zu trauern. Schade ist, daß sich in meinem Alltag keine Veränderungen ergeben. Jeder plant und lebt sein Leben für sich alleine nebeneinander her. So wie jeder Rasenbesitzer einen eigenen Rasenmäher hat, den er alle drei Wochen benutzt, so ist die Gesellschaft in jeglicher Hinsicht auf eingebildetem Individualismus, auf festen Normen und Abgrenzung aufgebaut. Kein wirkliches miteinander teilen, miteinander bauen, miteinander den menschlichen Fortschritt erträumen. Doch im Glauben hoffe ich einen festen Halt zu bekommen. Ich weiß, daß es etwas gibt, das mich will und wo ich mich geborgen fühlen kann. Nicht als Körper, sondern als Geist.


 

15.06.1979


 

Auch in die Natur greift der Mensch militärisch ein. Die Zitterpappeln stehen alle in einer langen Reihe, wie Soldaten. Sie sind trotzdem überragend schön und dulden es sogar.

 

Sag Mond, warum kommst du nicht?

Blas die Wolken in die Ferne.

Des Nachts in deinem klaren Licht

wand're ich so gerne.


 

Die Pappeln reihum aufmarschiert,

rechts und links des schmalen Weg's

zeigen mit der Spitze mir

dem Ort wo du verborgen schläfst.


 

18.06.1979


 

Ich muß noch sieben Tage arbeiten. Eine Ewigkeit, die nie vergeht. Schon so oft habe ich Tage gezählt bis irgendetwas anfängt oder aufhört. Ich will so nicht leben, ich will im Augenblick, in der Gegenwart zu Hause sein und nicht in Vorstellungen gefangen. Die Wirklichkeit ist immer anders gewesen als in den Vorstellungen vorher. Vielleicht weil an der Wirklichkeit mehr Menschen beteiligt sind und die Vorstellungen nur in meinem Kopf erwachsen. Dann darf niemand über die Wirklichkeit enttäuscht sein. Sie ist genau so wie wir Menschen sind, und nicht nur wir Menschen. Alles fließt als Einfluss in die Wirklichkeit. Alles ist Wirklichkeit. Auch meine Vorstellungen? Klar. Vorstellungen wirken auf die Realität ein und verändern sie. Alles ist im permanenten Wandel und ich bin mittendrin.


 

19.06.1979


 

Ich stehe jetzt vor der Möglichkeit, aus meiner Gewohnheit auszusteigen. Doch was mache ich? Ich suche eine neue Schule, obwohl ich jetzt schon weiß, daß ich mit dem angebotenen Lehrstoff nicht viel im Sinn haben werde. Es ist trotztdem spannend, aus der alten Zelle in eine neue zu schlüpfen.


 

19.06.1979


 

Der Schatten des Pavillons erreicht fast die großen, geduldig schweigenden Zitterpappeln. Ihre schlanken Kronen wiegen sich spielerisch im warmen Vorsommerwind. Die Schritte eines vorbeieilenden Mädchens, welches ich zuvor noch Hand in Hand mit ihrem Freund gesehen hatte, stören diese Stille etwas. Gesehen und vergessen, wie so viele Menschen in der Stadt. Von irgendwo her höre ich ab und zu Disco Musik. Wie sehr nervt mich diese nichtssagende Musik, aus der viele junge Leute ihre Party Stimmung ziehen und ihre Gefühle abdumpfen. Eine völlig andere Kultur, die mir unbegreiflich ist. Ist alles wertfrei? Ist das Eine so gut wie das Andere? Im Grunde ja. Jedoch wenn jemand nur Musik macht um sich daran materiell zu bereichern, hat es einen anderen Stellenwert als Kunst. Und Disco Musik ist nun mal keine Kunst, ist Kommerz. Diese Unterscheidung sei erlaubt. Wieso nicht selber Musik machen? In der Schule wurde es nicht gefördert, ein Instrument zu erlernen. Lebt der Mensch nur für den Konsum? Nur dafür, daß sich welche daran bereichern können? Sind schon die Schulen mit eingebunden in dieses Vorhaben? 


 


 

20.06.1979


 

Noch fünf mal in den Kindergarten, dann ist dieses Schuljahr endlich geschafft. Ich habe Einiges über Kinder und Pädagogik gelernt, oder kennengelernt. Aus der Schule habe ich mir gemekt, daß der beste Pädagoge sich überflüssig macht. Das ist eine geniale Aussage. Klar! Ich bin so lange für Kinder da, bis sie selbstständig leben können. Doch wer lebt schon wirklich selbstständig, unabhängig und frei? Ist das eine Frage des Geldes? Könnte man sagen: Ja. 

Ich habe in den beiden Kindergärten in denen ich das Jahrespraktikum gemacht habe, viele Kinder gesehen, die traurig, dumpf und verunsichert sind - finde jetzt nicht die richtige Beschreibung. Die sind gestresst und ängstlich. Das Personal der Kindergärten hat sich lieber mit den lieben, netten Kindern beschäftigt und diese auch bevorzugt behandelt. Das waren Kinder vom Zahnarzt, Kinder aus Familien mit eigenen, großen Häusern. Kinder, die hübscher angezogen und ausgeglichener waren und sich viel besser artikulieren konnten. Die Erzieherinnen haben sich ungerecht verhalten - ok - das kann ich jetzt hier schreiben, aber im Praktikum konnte ich das nicht ansprechen. Die haben mich selbst komisch behandelt, nichts erklärt, auch nicht nachgedacht oder sich selbst reflektiert. Das eigene Verhalten war nie Thema. Ich glaube, die haben einfach nur einen netten Job gewollt und nicht wirklich an sich und der Gesellschaft arbeiten wollen. Allein schon, wenn sich ein Kind mal in die Hose gemacht hat, waren die Erzieherinnen so was von sauer und beleidigt - das habe ich nicht verstanden. Das Kind wurde ausgeschimpft, am Arm in die Toilette gezerrt und im Beisein des Kindes wurden der Mutter am Ende die nassen Sachen übergeben, natürlich mit vorwurfsvollen Mimiken und Gesten. Zum Glück war ich als Kind nie selbst in einem Kindergarten. Wir waren immer Draussen und haben ohne Erwachsene und vor allem ohne Erzieherinnen gelebt. So eine permanente Überwachung und Massregelung hätte ich nicht ausgehalten. Vielleicht gibt es auch Kindergärten, die anders sind - hoffentlich! Aber hier in dieser gutbürgerlichen Kleinstadt wohl kaum. Zudem geht der Schulunterricht Freitags und Samstags überhaupt nicht auf das Praktikum ein. In der Schule herrscht absolute Theorie. Soziologie, Geschichte der Pädagogik, Mathe, Deutsch, Religion, Didaktik und Metodik - das hat sehr wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Die Lehrerinnen haben nach ihrem Abitur studiert. Die haben nicht einen Fuss in das wirkliche Leben gesetzt. Das ist alles Theorie, nicht mal Wissenschaft. Wiedergekäutes Leben kann ich nicht ertragen. Muss raus aus diesen Strukturen und etwas Eigenes schaffen.

Ich mag Kinder recht gerne, nur wenn mehrere zusammen sind komme ich nicht mehr so gut mit ihnen klar. Bin kein Pädagoge, der die Aufmerksamkeit auf sich oder auf ein Thema lenken kann. Links von mir spielen zwei Mädchen Gummitwist. Leider bleiben die Menschen nicht so frei und ungezwungen, wie sie in der Kindheit sind. Warum erscheinen mir die letzten fünf Arbeitstage so lang und unüberstehbar? Wenn ich jedoch später auf sie zurückblicke, werden sie mir gar nicht mehr als Zeitspanne im Gedächtnis bleiben. Ich mache mir über die Zeit danach noch keine Gedanken. Wozu auch? Bisher ist nie etwas so geworden wie ich es mir in meinen Gedanken und Träumen zurechtgesponnen habe. Ich weiss, wie man in dieser Gesellschaft zufrieden und glücklich werden kann: Man muß einen beschränkten Horizont haben und darf nur das denken und wissen, was man vorher gelernt hat. Nichts auf dem eigenen Mist wachsen lassen, aber gerade das ist bei mir der Fall. Gott sei dank!


 

28.06.1979


 

Auf dem Weg nach Griechenland. Leider habe ich meinen Führerschein noch nicht gemacht. Bei der letzten Fahrstunde hatte ich vom dritten Gang in den zweiten schalten wollen und bin im Rückwärtsgang gelandet. Es gab ein kratzend, knirschendes Geräusch und das Getriebe war kaputt. Der Fahrlehrer meine nur trocken: "Tja, da müssen sie leider nach Hause laufen." Armer Audi 80 dachte ich. War das jetzt meine Schuld oder war da vorher schon etwas kaputt? Normal fahre ich doch gut Auto, und um in den Rückwärtsgang zu kommen, muss man den Schalthebel nach unten drücken.... habe ich wirklich zu fest gedrückt? Peinlich.

Jetzt muß Volker alleine fahren, zumindest in Deutschland. Ich liebe es, über die Autobahn zu gleiten. Landschaften ziehen vorbei, Berge, Wälder, Ortschaften und Flüsse. Frankfurt, Aschaffenburg, Würzburg... Alles loslassen und reisen, tagelang weit weg durch Bayern, Östereich, der Loibelpass, Jugoslawien, Ljubeljana, Belgrad. Hinter Belgrad bin ich auch gefahren, den Autoput entlang bis Griechenland. Witziger Name, "Autoput". Wir schlafen im Auto, wollen Panos besuchen, den Griechen, den ich in England kennen gelernt habe und den ich in den Osterferien in seiner WG besucht hatte. Ich freue mich schon total darauf, überraschend bei ihm aufzutauchen. Bis Katakolon sind es fast 3000 Kilometer. Das schaffen wir in drei Tagen. In Jugoslawien schmeissen sich an Ampeln Menschen auf das Auto und fangen an, die Scheiben zu putzen. Oder auf Parkplätzen fragen Kinder nach Geld oder nach einem Kugelschreiber. Das ist mir sehr unangenehm. Ich gebe oft etwas Geld, aber so viel haben wir auch nicht dabei. Es reicht für das Benzin hin und zurück und vielleicht 200 DM für essen und trinken. Wir sind doch nicht reich! Aber anscheinend sind wir doch reich, sonst kämen wir nicht aus Deutschland mit einem Auto wie es hier kaum jemand hat - und wir sind Schüler! Ich fühle mich nicht reich und bin es wohl doch. Das habe ich so noch nicht erlebt. Führe ich ein Luxusleben? Dabei bin ich doch immer nur voller Zweifel und auf der Suche. Ich will Gerechtigkeit und einen gewissen Wohlstand für alle. Dafür würde ich auf alles Mögliche verzichten. Ich will eine Welt bauen, in der alle Menschen genug zum Leben haben. Vielleicht sind die Leute hier auch gar nicht arm und es ist so eine Art Sport oder Hobby, den Touristen etwas abzuzocken. Ich weiß es nicht. Mag mich nicht als Tourist fühlen und wir machen einen grossen Bogen um alle Orte, die von touristischem Interesse sind. Reisen ja, aber nicht als Tourist. Wir wollen Panos besuchen und nichts weiter. Ich genieße Griechenland, Pelloppones. Weit ab von Autobhnen schaffen wir es nicht, hinter den normalen Linienbussen auf kurvigen Landstrassen her zufahren. Die sind einfach zu schnell. Vielleicht haben die auch ihr Leben lang nichts anderes gemacht, als diese Strecke zu fahren. Dann ist es kein Wunder. Die LKWs haben rundherum bunte Lichter und sehen grandios aus. An den Strassen stehen Bauern mit offenen Lieferwagen voller Melonen und in einem Dorf beim tanken hat uns jemand eine ganze Plastiktüte voller Orangen geschenkt. Es ist so schön hier. Echt super, dass ich etwas griechisch gelernt habe. So kann ich wenigstens danke sagen und noch einiges mehr. Kali mera, kali spera, kakos keros, ena, thio, tria und so weiter. Kali nichta, efcharisto - ich liebe dieses Land und die Menschen, wie ich schon in England Panos als ganz besonders herzlich erlebt habe. 

Jetzt müssen wir uns in Katakolon durchfragen, um Psaris Panajotis zu finden. Es ist gar nicht so schwer. Nach dem dritten Versuch bringt uns jemand zu einem Haus am Meer, wo Panos Mutter lebt. Sie freut sich so sehr, als wären ihre eigenen Kinder nach langer Zeit wieder mal zu Hause, umarmt uns, dabei kennen wir die Frau doch gar nicht. Irgendwie schafft sie es uns zu erklären, daß Panos in England geblieben ist wegen einer Arbeit und nicht nach Hause kommen konnte. Dann fängt sie an zu kochen und wir machen unsere erste Runde zum Meer, den Strand entlang und wieder zurück zum Haus. Wir sind enttäuscht, traurig und wie soll ich sagen - irgendwie erschöpft. Kein Wunder sicher auch, nach drei Tagen im Auto. Aber die Mama ist so lieb und bekocht uns jeden Tag zwei mal mit fettigen, olivenölhaltigen Gerichten und lässt uns nicht los. Der Bruder von Panos kümmert sich um uns, lädt zu Partys und Discos am Strand ein, wir fühlen uns wunderbar aufgehoben, sind nur immer viel zu satt. 


 

06.12.1979


 

Ich kenne ein paar liebe Menschen auf dieser Welt, bin trotzdem oft traurig und allein. Möchte gern mit allen Menschen die ich mag zusammenwohnen.

Heute ist Nikolaus, aber ich kann mich über das was meine Mutter mir geschenkt hat nicht so recht freuen. Ok, sie will nur das Beste für mich, aber ich will nicht so umsorgt werden. Ich will endlich selbstständiger sein, weil ich es in diesem ewig monotonen Alltag nicht aushalte. Meine Stimmungen haben selten so geschwankt wie gerade Heute. Es hängt immer von den äusseren Einflüssen ab. Das bin doch nicht ich, der da morgens um 7 Uhr mit dem Zug zur Schule fährt, der an Weihnachtsfeiern teilnimmt, der durch olivgrün gestrichene Schulflure hetzt und in der Pause versucht, dem allgemeinen Gequatsche auszuweichen. Es sind nur zwei Jungs in der Klasse. Komisch. Wollen die meisten doch noch Lockführer werden?

Möchte mal wissen, welche Stimmung ich habe, wenn ich fern von äusseren Einflüssen ganz in mich gehe. Ist das der Weg ins Nirvana? Oder geht der Weg durch die Welt? Sind beides mögliche Wege? Jeder wird geschliffen und irgendwann denkt man gar nicht mehr. Es ist so schade, dass einem die Kleinigkeiten das Lebensgefühl bestimmen. Positives beeinflusst die Laune nicht so schnell. Das ist dann so, als sei es selbstverständlich. Ich möchte lernen, mich auch an Kleinigkeiten zu erfreuen und Negatives nicht mehr so eng zu sehen.

Ich habe schon erkannt, dass die Welt, das All, eine Einheit ist. Und zwar nicht nur mit dem Verstand, sondern auch als Teil dieser Einheit eben. Es ist mir bewusst. Doch was jetzt? Ich rauche, muss zum Klo, muss den Wecker stellen, muss, muss, muss. Als Mensch ist man unvollkommener als eine Blume, oder als ein Stein. Was ist der Auftrag, den wir Menschen haben? Darf das jeder selbst entscheiden? Ist alles ein Spiel der Natur? Muss die Menschheit einen schwierigen Weg gehen, um sich weiter zu entwickeln? Tausend Gedanken, keine Gewissheit. Doch. Liebe. Ist schon möglich.


 

10.12.1979


 

Die Tage verstreichen ungenutzt. Ich lebe nur so in den Tag hinein und schaffe gar nichts. Auf Dauer kann das niemand aushalten. Hoffentlich kriege ich keinen Knacks, - den ich vielleicht schon habe... bloß raus hier, raus in die Freiheit. Sie wartet in jeder Blume, umgibt mich mit jedem Frühling, will erspürt und erfahren werden. Darf nicht so weiterleben. Verlorene Zeit, die ich hier nur absitze wie ein Gefangener. Weiß nicht weiter. Alles was aus dem Rahmen fällt ist so aussichtslos und unerreichbar. Nur von der Liebe allein kann man nicht leben. Stimmt das? In dieser Gesellschaft bestimmt. Muß es denn noch etwas in meinem Leben geben, was ihm Sinn gibt? Ist nicht das Leben an sich schon sinnvoll genug? Wenn ich so weiterlebe, ist es eher Unsinn. Langsam glaube ich auch, dass es gar keinen Sinn macht, die Menschen zu ändern.


 


 

11.12.1979


 

Ich möchte gerne wissen, was so schlimm daran ist, mal einen Tag nicht zur Schule zu gehen! Meine Eltern versstehen das total nicht - allerdings sind sie in meinem Alter gar nicht mehr zur Schule gegangen. Mein Opa sagt immer: "Ja, wir haben früher gearbeitet. Heute bleiben die jungen Leute so lange in der Schule und lernen doch nichts."

Morgen schreibe ich eine Psychologiearbeit und habe noch nichts dafür getan. Im Grunde ist es mir egal, was ich in der Arbeit schreibe. Lege keinen Wert darauf, von einer Institution gut bewertet zu werden. Ich müsste erst mal aus der elterlichen Obhut raus. Postbote wäre ein idealer Nebenberuf für mich. Andere fallen mir im Moment nicht ein. Hauptsache, sie sind Halbtags und relativ frei. Ich muss mich endlich auf meine eigenen Füsse stellen. Das darf so nicht weitergehen. Alle Ideen zerschellen an einer grossen Wand, die ich noch nicht einzureissen vermag, dabei bedarf es nur eines kleinen Schrittes. Ich bin 18 und kann mich einfach von der Schule abmelden. Vielleicht habe ich am Ende der Ausbildung gar keine Ideen und Ziele mehr? Wenn ich jetzt mit der Schule aufhöre, kommt sofort die Bundeswehr oder der Zivildienst. 18 Monate ins nächste Gefängnis.


 

17.12.1979


 

Au weia, was sind die Menschen fertig und kaput. Sie verstecken sich hinter Masken, anstatt sich zusammen zu tun und ein eigenes Leben aufzubauen. Und wenn ich mein Leben anders gestalten will, verstehen sie es nicht. Ich muß mich rechtfertigen und genau erklären, warum. Wenn aber jemand sagt, die Fächer Pädagogik, Psychologie und Soziologie mag er nicht so, weil man da so viel denken muß, und lieber Politik, Mathe und Englisch macht, weil man da nur auswendig zu lernen braucht, ist das normal. Und die meisten in meiner Klasse denken so. Dabei ist das gar kein denken. Wozu wollen die Pädagogen werden? Ich glaube so langsam, die sind einfach nur zu faul um an sich und an der Welt zu arbeiten. Immer nur Geld verdienen, Luxus, angeben und Disco. Es wird mir übel. Das werden dann so Leute wie die Leiterin von ersten Kindergarten letztes Jahr. Die glauben sogar individuell zu sein, wenn sie Sachen aus einem Katalog aussuchen. Ich kann in solch einer Gesellschaft nicht leben und finde es auch ätzend, daß diese Leute in der Schule erfolgreicher sind als ich. Es gibt viele Leute, die so denken wie ich und wir werden unsere Welt bauen, "wo kleine Gefühle wichtig sind und kein Mensch das dunkle Wasser ist, das weisse Schiffe trägt!" (Liedtext von Jasmin Bonin )


 

18.12.1979


 

Komischer Tag bis jetzt. Langeweile durch eigenes Verchulden zerrt an den Nerven. So ist mein Leben zur Sinnlosigkeit degradiert. Was macht Andrea wohl jetzt? Warum ruft sie nicht mal an? Warum sehne ich mich nicht so zu ihr, wie jemand, der verliebt ist? Nu ja, die Sinnlosigkeit unserer dreier Beziehung ist mir längst klar. Ob die Beiden glücklich sind? Ich finde es so sinnlos, mit Freunden die ganze Zeit im Zimmer zu hocken und fortwährend zu fragen, was man machen soll. Ohne Spontaneität kann ich auf Dauer nicht mit Leuten zusammen sein. Mit Henning ist es total anders. Wir stellen uns einfach an die Autobahn und fahren so weit wie der Erste, der uns mitnimmt. Aber die Beiden sind gar nicht spontan. Alles muß genau geplant sein. Morgen 16 Uhr 45, Zug nach Unna, dann Schlittschuhlaufen, 19 Uhr wieder zurück. Verpasst man mal einen Zug, wird gemosert und nach einem Schuldigen gesucht. Das ging mir auf die Nerven.


 

19.12.1979


 

Ich war Heute nicht in der Schule. Und Morgen, am offiziell letzten Schultag vor den Ferien werde ich auch nicht gehen. Es wird mir gerade bewußt, daß ich schon Ferien habe. Bin glücklich! Hurrah! Das Leben kann auch schön sein. Man muß nur locker sein. Doch die Lage der Welt vergesse ich dabei nie. Ist schon eine grosse Scheisse.

Gerade hatte ich eine ziemlich gute Diskussion mit meiner Mutter über meine Pläne - Schule aufhören und so. Ich konnte ihr begreiflich machen, dass ich keinen Schritt weiter komme, wenn ich nur zur Schule gehe weil sie das will und ich ein schlechtes Gewissen habe, meine Pläne zu verwirklichen. Daran liegt es auch, daß ich mit meinen Meinungen "wie ein Fähnchen im Wind" bin, wie sie selbst es nennt. Ich werde allerdings erst mit der Schule aufhören, wenn ich einen Job habe. Hurrah! Ich bin wieder ein Stück freier geworden. 

Ich habe gerade gespürt, wie mir der Glaube an Jesus Kraft gegeben hat. Es ging um das Anhörungsverfahren zur Wehrdienstverweigerung. Ich bin sicher, daß meine Gewissensgründe anerkannt werden. Ich dachte nach, was Jesus wohl sagen würde, wenn er als Wehrdienstverweigerer vor dem Gremium stehen würde. Diese Gedanken haben wir wirklich Klarheit und Kraft gegeben. Ich werde es schaffen.

Meine andauernde Verliebtheit bezieht sich nicht mehr nur auf einzelne Personen. Ich liebe die Liebe überhaupt und will alle Menschen einbeziehen, denn niemand kann etwas dazu, daß er so geworden ist wie er eben ist. Doch ist das dann Liebe? Es ist eher das Bewußtsein, das Alles Eins ist und jeder ein Teil von mir ist und ich ein Teil von jedem. Materie ist man doch so wie so. Man ist auch nie die gleiche Materie, denn es besteht ein permanenter Kreislauf. Jeder bestand schon mal aus dem selben Wasser. Doch gibt es etwas, was immer einer bestimmten Menge Materie ein Ich-Bewustsein verschafft. Das ist der Geist. Ich liebe alles!


 

20.12.1979


 

Die Vorweihnachtszeit ist viel zu hecktisch, als daß man mal zu sich kommen könnte. Mir macht das total keinen Spaß. Hoffentlich verbringe ich wenigstens 14 Tage lang schöne Ferien aber das glaube ich auch nicht.

Stunden vergehen, schöne Stunden. Doch was ist der Sinn? Ist der Sinn des Zusammenseins mit vielen Leuten, daß es Spaß macht? Nachher erscheint es mir immer nur wie Zeitvertreib, annähernd dem Warten auf den Tod. Ohne Tod könnte das Leben keinen Sinn haben. Irgendwie will ich die Zukunft in meinen Gedanken abschaffen. Wenn ich etwas für die Zukunft tue, weiß ich doch gar nicht, ob ich das in der Zukunft überhaupt noch so will, wie ich es mir jetzt ausdenke. Ist das kompliziert.


 

26.12.1979


 

Ich bin mit Henning in La Villa in den Dolomiten. Hennings Papa ist Lehrer am Kolleg und es sind zwei Leute nicht zum Skiurlaub mitgefahren. Also konnten wir spontan mit. Aber die Leute hier sind komisch. Tagsüber geht es ja, aber Abends können wir es ohne Alkohol echt nicht aushalten. Vielleicht sind wir ja auch komisch, ich weiß es nicht.


 

31.12.1979


 

Ich habe das Gefühl der absoluten Zusaammengehörigkeit noch nie so intensiv mit Leuten empfunden wie in dieser Nacht mit Henning, Mike und seiner Freundin. Es war für mich die Erkenntnis. In der Nacht hatte ich einen Traum, wo das Gleiche noch mal mit Judith und ihrer Schwester passierte. Ich liebe alle Menschen und ich muß mich dafür einsetzen, daß alle Menschen diese Art Liebe empfinden können. Es ist jetzt so kalt, ich sehne mich nach Hause, aber es ist nicht in dieser Welt. Ich brauche Selbstbewußtsein. Wie kann ich die Menschen zum Lieben bringen? Ist diese Aufgabe nicht etwas zu hoch für mich? Wahrscheinlich. Ein Sturm beginnt, die Bäume schütteln ihre Schneelast ab. Ich will endlich richtig mit dem Leben anfangen. Das kann ich nicht in einem Touristenort. Hier ist mir schon die Lust zum schreiben vergangen. Bin eingesperrt. Essen, trinken, schlafen und zwischen Urlaubern eingequetscht. Tourismus ist nicht meine Welt. In drei Tagen fahren wir nach Hause, dann geht das Leben richtig los. Am Montag suche ich einen Job. Das schaffe ich schon.


 

07.01.1980


 

Heute ist der erste Schultag, doch ich bin zu Hause geblieben. Es kotzt mich so an, immer das Gleiche zu machen. Die können mich doch nicht hindern, ich selbst zu werden. Meine Oma fragte gerade, ob ich nicht in die Schule gehe. Ich sagte: Ich gehe erst Morgen. Sie meinte dann im weitergehen: "Na du hast es ja gut." Wieso habe ich es gut, wenn es mich vor der Schule graust? Wenn ich keinen Sinn in dieser Art Gesellschaft sehe, wo jeder für sich alleine lebt und kein wirklicher Gemeinsinn vorhanden ist? Wer versteht das schon? Ich meine diese Art liebevolles Zusammenleben, worüber in kirchlichen Gruppen und Fortbildungen, sogar im Gottesdienst geredet wird. Doch die reden nur davon und wollen es gar nicht. Das kann ich nicht verstehen.


 


 

08.01.1980


 

Ich habe in den letzten 70 Stunden nur 8 geschlafen. Jetzt ist es 8 Uhr Morgens und es lohnt sich nicht mehr, ins Bett zu gehen. Bin mal gespannt, wie ich gleich in der Schule bin. Muß mich wohl erst mal rechtferigen, warum ich Gestern nicht da war. Ich war ja Gestern da, nur eben nicht in der Schule. Kann sagen, war auf Jobsuche.

Ich habe Judith in der Schule von dem Traum und von der absoluten Liebe erzählt. Sie fand das ganz toll und konnte es verstehen. Wahnsinn!


 

11.01.1980


 

Bei der Post ist bis zum Herbst keine Stelle frei. Das ist ja blöd. Habe mich nicht getraut zu sagen, daß ich einen Halbtagsjob suche, weil ich viel schreiben will. Das hätte sich sicher blöd angehört. Zu doof auch, das wirkliche Ich immer verstecken zu müssen. Muss ich vielleicht nicht, aber ich bin es von zu Hause gewohnt. Auf alle Fälle suche ich weiter einen Job. Muß aus dem Fuck hier raus kommen.


 

15.01.1980


 

Annette mit Tochter, Peer, Wolfgang und ich suchen eine Wohnung. Ich dazu noch einen Job. Ich muß raus. Will endlich anfangen, auf eigenen Füssen zu stehen, um gesellschaftlich unabhängig zu sein. Die Gesellschaft ist doch nur ein Haufen kopfloser Wesen, die gelenkt werden. Mit mir nicht!


 

18.01.1980


 

Ich werde immer ruhiger und stehe der realen Gegenwart immer konzentrieter und gelassener gegenüber. Gleichzeitig merke ich, wie ich immer mehr vereinsame. Ich konnte nie so recht verstehen, was Herman Hesse damit meinte. Jetzt beginne ich zu verstehen und bejahe die Vereinsamung, denn das ist der Weg zum wahren Ich. Wenn eine liebevolle Gesellschaft nicht möglich ist, dann lieber allein und fort von den Massen.


 

20.01.1980


 

Bin in Hardehausen auf einem kirchlichen Seminar zum Thema "Entwicklungsländer", und meine ursprüngliche Meinung wird darin verstärkt, daß sich jeder Mensch in den Industrieländern einschränken muß, damit alle Menschen auf der Welt satt weden, Zugang zu Bildung haben und in Frieden leben können. Es geht auch nicht, daß immer weniger Menschen immer mehr gehört und für viele gar nichts mehr bleibt. Das ist so einfach zu verstehen. Wieso wird das nicht per Gesetze umgesetzt? Dafür werden die "Volksvertreter" doch - mittlerweile auch von mir,- gewählt und bezahlt. Kriege einfach nur das Kotzen.


 

26.01.1980


 

Henning und ich sind nach Frankfurt getrampt und schlafen in einer Jugendherberge. Morgen wollen wir nach Kelkheim um Mike und seine Freundin zu besuchen. Hier sind Leute aller Nationen, gesprochen wird meist Englisch. Genial. Deutsche sind in der Minderheit.


 

27.01.1980


 

Wir waren mit Mike und Anne in einem besetzten Waldstück. Da leben Leute die verhindern wollen, daß ganz viel Wald gefällt wird, nur um einen Flughafen auszubauen. Cool. Die waren total nett! Haben uns zum Essen eingeladen obwohl die selber sehr wenig hatten und ohne Strom und fliessendem Wasser lebten. Das ist genial. So viel Einsatz um einen Wald zu schützen. Genau darum geht es doch. Die können uns nicht alles kaputt machen, nur weil sie damit Geld verdienen. Die Natur gehört niemandem. Und wenn doch, dann gehört sie allen. Die sagen: "Aber alle profitieren doch von einem grösseren Flughafen, es gibt mehr Arbeit und mehr Geld." Was machen die Menschen dann mit dem Geld? Tourismus, Auto fahren, noch größere Flughäfen und Autobahnen bauen - - - irgendwann reicht es doch und ich brauche so etwas wirklich nicht. Es belastet die Umwelt und macht alle am Ende krank. Es muss eine Gesellschaft möglich sein, die auf Vernunft und Gerechtigkeit basiert. Alles andere ist Murcks.


 

28.01.1980


 

Bin wieder zu Hause, habe aber den Alltag noch nicht in mich gelassen. So ein schönes Wort, "Alltag". Der Tag des Alls, also jeder Tag, alle Tage. Der Begriff Alltag hat allgemein einen negativen Beigeschmack. Wieso ändern die Menschen es nicht, so daß Alltag etwas Schönes ist. Es ist doch schön zu leben und sich für das schöne Leben einzusetzen, also zu arbeiten. Jedenfalls lebe ich solange ich noch zur Schule gehe in einem Narrenparadies. Mir ist schon klar, daß ich in dieser Gesellschaft keine Karriere machen kann. Die allgemeinen Wünsche und Ziele sind nicht mit meinen in Einklang zu bringen. Hauptsache, ich bekomme keinen Frust.


 

01.02.1980


 

1/12 des Jahres ist schon abgelaufen und ich stehe immer noch wie bewegungslos auf dem selben Punkt. Auszuziehen ist ein großes Bedürfnis, aber die Möglichkeit mit Wolfgang und den drei anderen zusammen zu ziehen, werde ich nicht nutzen. Habe keine Lust, mit Hecktikern mitten in einer Stadt zu wohnen und jeden Tag ungewollt an Feten teilzunehmen, wo gekifft wird. So könnte ich mich nicht weiter entwickeln.


 


 

04.02.1980


 

Am Wochenende war ich auf einem Medien Seminar. Wir haben zwei Filme gesehen, die von Kindern gemacht wurden. Wunderschön. Doch wenn ich an die Weltlage denke, wo so viele Kinder hungern, in Kriegen umkommen oder von der Zivilisation aufgefresseen werden, bekomme ich einen Frust. Ich werde eine Umwelt schaffen, in der sich die Menschen frei entfalten können.


 

05.02.1980


 

Warum schneit es hier nicht? Dies' andauernd graue Regenwetter geht mir auf den Geist. Wie ich den Frühling herbeisehne... oder wenigstens ein paar Zentimeter Schnee. Aber so was ... war Heute nicht in der Schule und schwebe in der Luft zwischen Heimarbeit, eine Lehre als Buchhändler, Halbtagsjob, oder doch Schule? Ich habe es satt, ständig das Gleiche zu denken. Dieses blöde monotone Leben. Sechs Wochen Urlaub im Jahr können das bei mir auch nicht wieder gut machen. Tja: Bescheidenheit = Reichtum. Ich muß bescheiden werden.


 

06.02.1980


 

Fühle mich sehr wohl. Heute war ich bei Wolfgang und wir haben uns ganz toll verstanden. Wir sind uns darüber einig, daß man, egal welches Medium man nimmt: Malerei, Schreiben, Musik, .... sich immer selbst verwirklichen will. Sonst wird Kunst zu einer Ware, wie es hier meist der Fall ist. Wolfgang hat mir von einem Bild erzählt, das er gemalt hat und ich konnte ihm genau sagen, was es für ihn bedeutet.

Ich verliere die Zweifel, meinen eigenen Weg zu gehen. Es ist schön zu wissen, daß ich in dieser harten Welt nicht allein bin. Nun stehe ich fast schon mit wirklichen Künstlern auf einer Ebene und brauche nur noch Zeit und Ruhe.


 

08.02.1980


 

Leben und Lieben! Heute habe ich gelebt und geliebt. Den Wald, die Bäche, die Vögel, das Eichhörnchen - - - ich habe am Leben teilgenommen, ohne an Zukunft oder Vergangenheit zu denken. Einfach gelebt. Leben ist Liebe.

Diese Tage an denen ich mit Leuten zusammen bin die immer etwas losmachen müssen, bringen mir gar nichts. Ich brauche Einsamkeit, ab und zu ein paar Gäste oder Freunde besuchen, wär' schon genug. Aber ständig mit Leuten zusammen wie in den letzten Tagen, bringt mich vom Weg ab und ich brauche lange, ihn wieder zu finden.


 

11.02.1980


 

Es ist etwas Ruhe eingekehrt. Heute habe ich ein Buch über das Leben als Selbstversorger auf dem Land gekauft. Ich habe vor, auf's Land zu ziehen. Aber ich werde nicht die ganze Zeit damit verbringen, das Land zu bewirtschaften und Tiere zu halten, denn ich will ja auch Bücher schreiben, Filme machen, Jugendarbeit, - - - Das alles zusammen könnte mein Leben ausfüllen. Doch nichts geht ohne Geld. Werde wohl erst 'ne Runde arbeiten müssen.


 

12.02.1980


 

Mein Ziel ist perfekt. Ich werde Selbstversorger. Das ist mein Lebensziel. Ich werde langsam aber sicher aus diesem Maschinenleben ausbrechen und mit lieben Leuten auf's Land ziehen. Ich werde es schaffen, sowahr ich jetzt Bauchschmerzen habe.


 

14.02.1980


 

Gestern war ich nicht in der Schule und Heute nur zwei Stunden. Ich halte es dort nicht mehr aus. Im Grunde wissen die Lehrer doch auch, daß es großer Mist ist, was sie da machen. Es ist vieles so verlogen. Befehle müssen ausgeführt werden, Richtlinien muß man sich unterwerfen - tja, sie sind so erzogen, wer kann es ihnen verübeln? Und sie brauchen jeden Monat Geld. Aber mit mir können die das nicht machen. Da ende ich lieber in der Gosse. Von mir lasse ich nichts abschleifen.

Nachdem ich einiges in Dortmund und Schwerte erledigt hatte, bin ich im Wald gewesen. Die ganze Zeit über habe ich eine Gedankenmeditation betrieben. Ich habe immer hintereinander "Herr, erbarme dich meiner", gesagt. Die Wirkung war schon ganz gut. Ich war sehr ruhig, habe aber gleichzeitig die Umwelt sehr klar wahrgenommen. Morgen werden Henning und ich nach Wilhelmshaven trampen. Ich freue mich schon bärig.


 

16.02.1980


 

Henning und ich sitzen in Sande auf einer Bank und wir frieren. Wir wollten Sabine und Birgit spontan besuchen, aber es ist niemand da. Wir warten noch etwas, dann suchen wir uns eine Schlafstelle. Es ist saukalt, bestimmt minus 5 Grad und es ist schon lange dunkel.


 

17.02.1980


 

Wir sind am Meer. Nach einer kalten Nacht auf einer Baustelle geht es uns spitze. Zum Glück haben wir Styroporplatten gefunden, auf die wir uns legen konnten. Schlafen war nicht möglich. Die eisige, frische Luft wird sofort eins mit dem Körper. 

Jetzt bin ich schon lange wieder zu Hause. Die Rückfahrt klappte super. Wir haben einen phantastischen Mann kennen gelernt. Er war früher Kapitän, hat sein Leben aber radikal geändert und setzt sich jetzt für den Umweltschutz und gegen Atomkraftwerke ein. Der war nicht wie die anderen Erwachsenen, irgendwie waren wir auf der gleichen Ebene. Genial!


 


 

19.02.1980


 

Die Karneval Feten sind vorbei. Gestern war noch mal ein Höhepunkt. Ich habe ganz schön viel Shit geraucht, aber ich tue es ja selten. Im Moment warte ich auf ein paar Leute, wir wollen zusammen meditieren und danach in den Wald gehen.

Das Einzige was mich noch in der Schule hält, sind Judith, Annette und Heike. Aber sonst - oh man - nichts ist schlaffer und blöder als Schule. Man lernt da nur, passiv zu sein.


 

20.02.1980


 

Heute Morgen bin ich anstatt zur Schule, nach Hörde gefahren, um mir Bücher zu kaufen. Zurück bin ich zu Fuß gegangen und habe mich am Freischütz eine Stunde lang auf eine Bank gesetzt. Die Sonne schien herrlich. Mir taten die Menschen, die mit Lastwagen und Firmenautos vorbei fuhren, ganz schön leid. Aber was kann ich dagegen machen? Auf dieser Bank habe ich dann noch einen Mann aus der Türkei kennen gelernt. Es war ein schöner Tag.


 

22.02.1980


 

Heute ist ein schöner Tag. Ungewöhnlich heiß. Bin sehr ruhig, auch wenn sich innerlich Idealismus und Erziehung bekämpfen. Es ringt sich der Entschluss durch, weder eine Lehre, noch sonst eine Ausbildung zu machen. Ich brauche nur einen kleinen Nebenverdienst, so wie Zeit und Ruhe, um meine Entwicklung zum Künstler ungestört weiterführen zu können. Wenn man mich doch wenigsstens mal machen lassen würde, aber jeder Wunsch nach Veränderung wird sofort von allen - Eltern, Lehrer, andere Erwachsene - im Keim erstickt. Gleichzeitig wirft man mir noch vor, dass ich meine Ziele so oft ändere, und dass ich nicht weiß, was ich will. Das ist ungerecht. Ich werde mir jetzt wohl noch Rat anhören, aber im Endeffekt meine Meinung geltend machen.

Ist die Unordnung auf meinem Schreibtisch die Ursache für mein ständiges abgelenkt sein, oder ist das abgelenkt sein Ursache für meine Unordnung? Was heißt überhaupt Unordnung? Was andere als Unordnung empfinden, kann für mich ja meine Ordnung sein. 

Nachts: Warum schaue ich TV, fresse Süsses und lege mich schlapp und spießerhaft in einen Sessel? Nachher ärgere ich mich dann immer über mich selbst. Von nun an kein Fernsehen mehr ausser Politik und Kultur. Stattdesssen werde ich lieber meditieren oder schlafen. Das bringt mir viel mehr.


 

24.02.1980


 

Heute habe ich über zwei Stunden auf der Bank am Krinkelweg gesesssen und gelesen. Die Sonne entwickelte nach Mittag eine enorme Kraft, und schon brachen überall die Menschen aus den Häusern, um im Wald spazieren zu gehen. Es ist schrecklich, wenn sie ihre Pelzmäntel, geschniegelten Hunde und Kinder zur Schau ausführen und im Wald über Wurzeln stolpern und die Pfade platt treten. Ich hatte gar keine Lust mehr, auch in den Wald zu gehen.

Da spazieren sie, die wochentags Geplagten

und zeigen ihre neuen Errungenschaften vor.

Laut klappern die Stöckelschuhe,

und die von den Leinen gezerrten Hunde ersticken an ihrer Lust.

Die Pelzmäntel erinnern sich trauernd an lebendigere Zeiten,

wo sie im Wald nicht auf den Wegen blieben.


 

02.03.1980


 

Bis Heute hatte ich keine Ruhe. Donnerstag und Freitag jeweils zwei Kinder- oder Jugendgruppen, Gestern abend waren Henning und Jörg da. Jetzt ist mein Zimmer wieder total durcheinander und es steht ein halber Kasten Bier hier rum. Ich halt's nicht mehr aus mit den ganzen Leuten, die jeden Abend irgendwo, irgendwie saufen müssen. Das ist so hohl. Morgen und Dienstag gehe ich nicht zur Schule, vielleicht wird es dann besser.


 

03.03.1980


 

Jetzt werde ich andauernd mit dem größten Scheiß konfrontiert. Wenn ich aus der Schule bin, soll ich mich beim Arbeitsamt als Arbeitssuchender melden, damit meine Eltern weiterhin Kindergeld bekommen. Wenn nicht, dann muß ich mich auch noch Haftpflicht- und Krankenversichern lassen... ich kann nicht mehr. Diese ganze Scheiße macht mich noch fertig. Ich bin in dieser Gesellschaft gefangen, wenn ich nicht ganz konsequent bin. Aber kann ich das?


 

04.03.1980


 

Heute war ich wie Gestern nicht in der Schule. Die Tage gehen so wahnsinnig schnell rum. Habe gerade Bibelsprüche auf Tapeten geschrieben. Wir brauchen die für den 13. März in der Gruppe der Nachtwallfahrt.


 

11.03.1980


 

Mein Leben ist im Moment ziemlich konfus. Ich kann in dieser Lebenssituation keine Kreativität entwickeln. Aber um aus dieser Gesellschaft aussteigen zu können als Normalmensch, als Dutzendmensch, muß ich vorher Kreativität entwickelt haben, denn sonst würde ich es nicht schaffen. Jeder Tag an dem ich so lebe wie im Moment, ist ein verlorener Tag, ja, sogar ein verlogener Tag.


 

14.03.1980


 

Heute war es in der Gruppe 5 ganz toll. Die waren richtig nett untereinander. Aber das lag wohl daran, daß zwei Jungs nicht da waren. Ich muß die unbedingt noch integrieren, sonst gibt es in 4 -5 Jahren zwei Schläger mehr.


 

17.03.1980


 

Heute habe ich voll verschlafen. Zur Schule konnte ich also nicht mehr fahren. Um 14 Uhr bin ich nach Hörde zum Hautarzt und zum Bücherladen getrampt. Auf dem Hinweg haben mich Kirmesleute im LKW mitgenommen und mich gefragt, ob ich bei ihnen arbeiten will. Aber nee, das wär' nichts für mich, immer in diesem dumpfen Lärm und permanent von tausenden Kirmesbesuchern umgeben, undenkbar!


 

23.03.1980


 

Ich habe es lange erwartet, endlich Ferien zu haben. Doch ich sitze hier nur am Schreibtisch und habe zu nichts Lust. Bin so unzufrieden über mein Zeitverschwenden, daß ich vor lauter grübeln, zweifeln und denken zu nichts Kreativem komme. Echt blöd, vor allem, weil Michael jetzt doch nicht mehr in den Urlaub fahren will. Seine Begründung war, daß er nicht weiß, wie das Wetter wird. Aber das wußte er vor zwei Monaten, als er spontan sagte: "Du fährst nach Frankreich? Da komme ich mit. Wir können mit meinem Auto fahren." Der Dumme bin jetzt ich, weil mein Vater die Freifahrtscheine fürs Ausland zwei Wochen vorher beantragen muß. Tolle Ferien. Na ja, Morgen trampe ich mit Jutta nach Berlin.


 

31.03.1980


 

Die Angst vor einem ewigen Leben sein steigerte sich schon, als ich noch ein Kind war, je länger ich daran dachte. In Gedanken konnte ich in ein unfassbares, unheimliches und grenzenloses Gebiet eindringen. Ich bezweifelte damals den Sinn eines vom christlichen Glauben versprochenen ewigen Lebens. Das erspüren des Wortes "Immer" war wie das Eintreten in verbotenes Reich. Im Moment spüre ich einen Bruchteil der Empfindungen, die ich damals hatte. Ich glaube, das Allbewustsein begann sich damals zu bilden. Die meisten Menschen bleiben in der geistigen Entwicklung desSelbstbewustseins stehen. Es ist bestimmt ein Unterschied, ob man etwas aus Büchern erfährt, oder ob so etwas phantastisches in einem selber reift. Ähnlich war es mit der ersten bewußten Empfindung von Gegenwart, Augenblick und Zeit. Als Kind dachte ich, daß es Zeit eigentlich gar nicht geben kann. Immer ist Gegenwart. Was die Menschen Zeit nennen, ist Erinnerung an einen anderen gegenwärtigen Zustand des Universums. Zeit ist ein Hilfsmittel, ein Mass, eine von allen akzeptierte Einheit, um das Leben berechenbar zu machen. Als Mensch lebt man so selten bewußt im Augenblick. Vielleicht beim Sport, in einer perfekten Meditation und beim Sex. Eigentlich ist alles was man macht schon Vergangenheit, wenn es im Gehirn wahrgenommen wird. Das ist aber egal, weil es Zeit an sich nicht gibt.

Es versteht kaum jemand, daß ich keine Lust habe, Abends in die Stadt, in eine Disko oder ins Kino zu gehen. Auch daß ich nicht jeden Abend mit Leuten zusammen sein will, scheint komisch zu sein. Ich dagegen stelle es mir schrecklich vor, noch weniger Zeit für meine Gedanken, für die Natur und für Bücher zu haben. Ich mag nicht mit den lärmenden Menschen zusammen sein. Das ist mir alles zu oberflächig. Ich brauche die Tiefe des Ich, die Tiefe des Alls und auch den Zweifel an allem.

Ich kann jemanden nur lieben, wenn ich mit ihm zusammen bin. Sonst ist es Erinnerung oder Anpassung an ein Klischeė. Die sexuelle Liebe ist Trieberfüllung. Ich könnte jeden lieben, mit dem ich zusammen bin und der auch offen ist. Ich kann jetzt nicht sagen, daß ich den oder die liebe, sondern nur, daß ich sie oder ihn dann und dann geliebt habe.

Beethoven meint: "Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie." Kann Weisheit und Philosophie denn überhaupt Offenbarung sein? Wenn jemand sein Selbstbewustsein ablegt und ohne zu denken im Augenblick ist, dann gibt es mehr Möglichkeiten Offenbarungen zu empfangen, als durch die Musik. Ist eine Offenbarung nicht ein Geschenk? Meint Beethoven, er hat sich seine Offenbarungen erarbeitet, oder gar komponiert? Versteh' ich nicht. Und welche Offenbarung höher ist, ist doch egal.

Gestern in Berlin wurde mit bewußt, wieviel Schaden meine Erziehung angerichtet hat. In der Wohngemeinschaft wo wir übernachten durften, gab es nur eine winzige Toilette. Wenn man drauf saß, ging die Tür nicht mehr zu. Erst dachte ich, es sei mir egal, wenn mich andere auf einer Toilette sitzen sehen. Aber es war nicht so. Ich achtete darauf, die Tür so weit wie möglich zu zu machen, weil es mir peinlich war. Scheiß Erziehung. Die natürlichsten Sachen machen einem Schwierigkeiten.


 

01.04.1980


 

Die Musik spielt eine geheimnisvolle Rolle im Leben der Menschen. Es erstaunt mich immer wieder, wie sie meine Stimmungen beeinflusssen kann. Ich glaube, nur durch einen Rhytmus kann der Mensch arbeiten, also leben. Musik kann aber auch zerstören und gedankenlos machen. Das wird heutzutage schon ganz schön ausgenutzt. Ich denke jetzt an die dumpfe Discomusik. Sie lässt den Menschen das maschinisiert werden auch noch toll erscheinen. Wenn das nicht manipuliert ist ... es war bestimmt nicht erst die Nachfrage vorhanden. Es geht nur darum, möglichst einfach viel Geld zu verdienen. Inhalt egal. 


 

02.04.1980


 

Diese abendlichen Stimmungen sind phantastisch. Stille Sehnsucht vermischt sich mit angenehmer Einsamkeit. Es ist herrlich zu wissen, daß es Menschen gibt, die offen sind für die Liebe, die mir so wichtig ist. Ich kann glücklich sein, aber auch weil es mir bewußt ist, daß alles was geschieht, belanglos ist. Ich habe einen festen Halt in mir gefunden. Es ist auch die Sicherheit, daß jeder stirbt. Schaue ich aus meinem Fenster über die Stadt, ist es schön, abseits zu stehen.

Ich kann nichts machen - malen oder schreiben -, was sich über mehrere Tage hinzieht. Bin in der Gegenwart gefangen. Tag tägliche Wiederholungen, denken und hinterfragen als Sucht. Bin ich noch normal? Ich will ja nicht normal sein. Ich will nicht in dieser Gesellschaft normal sein - das kann ich gar nicht. Ich will mir auch keine familiäre Insel aufbauen, obwohl ich aus solch einer Insel komme. Was will ich denn überhaupt? Lieben! Jeden Tag, jeden Moment, jedes Tier, jede Blume und jeden Mensch. Ist das verboten? Warum wundern sich alle über mich und meine Gedanken? Na ja, fast alle.


 

03.04.1980


 

Aprilwetter - jedesmal erstaunt mich, daß es wirklich so irrsinnig wechselhaft ist. Mit einer feinfühligen Stimmung sitze ich am Schreibtisch und schaue ab und zu durchs Fenster. Bob Dylan verstärkt meine Stimmung mit seiner Musik. Ich habe Heute zum ersten mal erfahren, daß mein Grossvater, der lange vor meiner Geburt gestorben ist, Verfolgter des Naziregimes war. Das erfüllt mich voller Stolz. Unsere Familie kann niemand als Nazischweine bezeichnen. Mein Vater war damals noch zu jung, um die Sache zu durchschauen, er hat dafür durch seine Kriegsverletzungen ganz schön bezahlt. Ich brauche mich als Deutscher nicht für die Vergangenheit zu schämen. Ich werde mal anfangen, in den hinterlassenen und damals verbotenen Büchern meines Grossvaters zu stöbern.

Gerade habe ich aus dem Fenster geschaut und einen Jungen gesehen, der mir neulich mit mehreren Leuten von hinten Eier an den Kopf geworfen hat. Bin froh, wenn ich mit solchen Leuten nichts zu tun habe - obwohl gerade das eine falsche Einstellung ist, sich von den sogenannten Asozialen abzusondern. Wenn ich gar nichts mehr besitze, brauche ich auch keine Angst zu haben - und das Leben? Tja, so stark wie Jesus müsste man sein. Wie wahr doch die Sprüche aus der Bibel sind, daß man alles verlassen und alles aufgeben soll, damit das Herz frei wird. Ich kann gar nichts über Gott sagen, weil es schon eine Einschränkung, eine Begrenzung wäre. Gott ist alles, aber auch Nichts. Gott ist Ursprung, Gott ist im Atom so vollkommen wie im Universum und auch da, wo keine Atome sind. Gibt es ein Nichts? Kann ich mir nicht vorstellen, denn es wäre zumindest noch der Raum da, der dieses Nichts begrenzt. Der Raum kann also nicht Nichts sein. Alles was ich mir vorstellen kann, kann nicht Nichts sein. So ist Nichts in unserem Denkvermögen nicht möglich, aber es kann trotzdem möglich sein, weil unser Denkvermögen begrenzt ist. Obwohl der Maulwurf die Sonne nicht sieht, braucht er sie doch. Es kann also sein, daß wir vom unvorstellbaren Nichts abhängig sind, ohne davon zu wissen. Vielleicht ist das Nichts der Raum, den ein Körper einnimmt? Wäre da nicht Nichts, wäre etwas anderes da und dieser erste Körper hätte keinen Platz. Man kann als Mensch also sagen, daß es ein Nichts geben muß.


 

08.04.1980


 

Es ist toll, mit anderen zu philosopieren. Über das Nichts zum Beispiel habe ich mich auf der letzten Tramp Tour mit Beate, Christine und dem Mann, der uns mitgenommen hat, unterhalten. Mit sehr vielen Leuten kann man so etwas nicht erleben. Viele Wege überschneiden sich nie, was vielleicht auch besser ist. Bin müde und muß noch viel Schlaf nachholen. Was andere Urlaub nennen und großartig planen, trampe ich mal eben. Eine wunderschöne Ruhe ist in mir eingekehrt. Hannes Wader singt: " Ich bin unterwegs nach Süden..." Ich schaue aus dem Fenster und es erfaßt mich wieder diese Sehnsucht, dieses Glücksgefühl. Möchte alles mit meiner Liebe übergiessen. Bin auch glücklich, daß ich alleine nach Östereich getrampt bin, nur um Beate kurz zu sehen. Habe nur liebe Menschen unterwegs kennen gelernt, mit niemandem die Adressen getauscht. Von dem VW Fahrer, dessen Lebensweg sich mit meinem ein paar Stunden überschnitt kenne ich nicht mal den Namen, aber das ist egal. Habe schon oft erlebt, daß schöne Stunden nicht wiederholbar sind. Manchmal ist es mehr als Kommunikation. Man versteht den anderen so gut, als wäre man selbst der andere. Lassen sich nicht nur Gedanken, sondern auch Gefühle übermitteln? Es ist immer das gleiche, schöne Gefühl. Vielleicht vebinden sich beide Geister, oder es wird einem bewußt, daß man so wie so Eins ist? Auf alle Fälle ist es ganz toll.

Ich finde es schlimm, wenn ich etwas sage und andere dann fragen, wo ich das gelesen habe. Ich traue mich oft nicht zu sagen, daß ich mir das selbst ausgedacht habe, wenn jemand sagt, daß der und der Philosoph das Gleiche sagt. Echt irre! Jetzt, wo ich mal etwas von Philosophen lese merke ich, daß ich mich in ähnliche Richtungen entwickelt habe. Das gibt mir genügend Selbstvertrauen so weiter zu machen, objektiv zu bleiben und alles aus verschiedenen Richtungen zu sehen. 

Heute hat sich das TV gucken mal gelohnt. Es war ein japanischer Spielfilm, der mehrere Menschen am Rande der Stadt in einem Slum auf einer Müllkippe zeigte. Es war kein sozial-kritischer Film sondern einer, der auf die Ausdrucksweise der Menschen achtete. Hat mich total beeindruckt. Die Menschen hatten trotz aller Umstände ein Vielfaches mehr Persönlichkeit als durchschnittliche Menschen hier.


 

09.04.1980


 

Mein Körper hat keinen Tag - Nacht - Rhytmus mehr. Bin erst um 14 Uhr 30 aufgestanden und jetzt nach zwei Stunden immer noch nicht fit. Werde gleich ein Stück Land umgraben.

Gestern war ich auf dem Arbeitsamt, doch es war nichts zu machen. Ich bekomme keine Heimarbeit. Damit fällt das Ausziehen vorläufig ins Wasser. Glaube nicht, daß ich mich jemals richtig in die Gesellschaft und ihre Maschinerie eingliedern kann. Ich würde daran kaputt gehen, wie sich schon in der Zeit des Kindergartenpraktikums gezeigt hat. Blöd nur, daß ich damals beim Neurologen war und der jetzt eine Akte über mich hat. Wenn ich dem Staat mal unbequem werde, können die mich einfach für Geisteskrank erklären und so aus dem Verkehr ziehen, wie es in vielen Staaten wohl gemacht wird. Der niedersächsische Wissenschaftsminister Pestel hat gesagt: "Atomkraftgegner sind Menschen, die von frühester Kindheit an den Weg zum Neurotiker gegangen sind."

Da gibt es nur eins! Nicht den Mund halten. Es ist wohl wieder so weit, daß die Menschen in eine Falle getrieben werden. Den hohen Herren bleibt gar keine andere Möglichkeit, wenn sie weiter Wachstum und Reichtum wollen. Aber denen ist nicht bewußt, daß sie auf dem falschen Weg, auf einem Weg ins Chaos sind. Um unsere Gesellschaft aufrecht zu erhalten, braucht man viele Dumme. Doch die wirklich Dummen sind Leute mit Wissen die gleichzeitig Reichtum wollen.


 

10.04.1980


 

Es gelingt mir nicht, einzusschlafen. Dabei ist es schon halb drei Morgens und meine Gedanken kreisen überall herum und betrachten mich selbst. Was bin denn eigentlich ich selbst? Der Betrachter oder der, der nicht einschlafen kann? Vielleicht sind es Körper und Geist. Der Körper kann nicht einsschlafen und der Geist betrachtet es. Na, wenn ich so von Beiden reden kann, dann muß es noch etwas Drittes geben, daß das gerade gedacht hat. Das Gehirn? Oder besser gesagt ich Gehirn? Nimmt das Gehirn tatsächlich eine Sonderstellung zwischen Körper und Geist ein? Bis jetzt hatte ich es nie als etwas Drittes betrachtet und beziehe jetzt schon wieder eine aussensstehende Position. Kann nur sagen, daß ich eine Einheit bin, die sich auch von der Materie aus der ich zum Teil bestehe, losgelöst betrachten kann. Vielleicht ist man beim Orgasmus nur Körper und in einer vollendeten Meditation nur Geist?

Letztes Jahr beim Praktikum hatte ich kaum eigenen Rückhalt. Das ist jetzt anders. Langsam wird es hell, ich gehe jetzt wandern.

Wie dumm die Menschen doch waren oder teilweise noch sind, daß sie sich für die Krone der Schöpfung halten. So habe ich es früher in Biologie gelernt. Er, der sich von seiner Mutter Erde loslöst erstickt im Übermut. In den emotionalen Entwicklungen eines vierjährigen stehen geblieben, regiert er die Welt und auch die, die sich ihrer Winzigkeit und somit auch ihrer Möglichkeiten bewußt sind.

Die kleine Wanderung eine Stunde lang war nicht schön. Das permanente Geräusch der Autobahn, die große Unterführung um in den Wald zu kommen, war mir sehr unheimlich. An der Hauptstraße habe ich mich von einer lärmenden Kehrmaschine verfolgt gefühlt. Alle Menschen die ich sah, saßen in Maschinen. Das ist nicht meine Welt.


 

11.04.1980


 

Heute war ich mit der Kirchengruppe 1 in Dortmund im Stadttheater. Das Musical Oklahoma fand ich nicht gut. Es ging darin nur um stinknormale Liebe zu Frauen und es wurde sogar jemand getötet, aber Sekunden später mussten die Schauspieler schon wieder fröhliche Scenen spielen. Solche Stücke vermitteln den Menschen doch den Eindruck, daß Macht, also Stärke und Kraft im körperlichen Sinn, immer siegt.


 

12.04.1980


 

Es ist zum kotzen. Ich bin nicht Ich selbst. Vor dem Einschlafen nehme ich mir immer die besten Sachen vor, wie aufhören zu rauchen, weniger essen, fasten, meditieren. Doch Morgens sind alle guten Vorsätze der Selbstfindung futsch. Es ist echt blöd, aber ich muß weiter den höchsten Zielen entgegenstreben.

Jede Tat ist sinnlos. Was soll es, mit Leuten zusammen zu sein? Es ist sinnlos. Egal, wenn die Leute mich wenigstens in Ruhe lassen würden. Aber viele reden auf mich ein, ich sollte doch das oder das machen, ich könnte doch unmöglich glücklich sein, wenn ich mich so absondern will - - - doch nein! In den Osterferien habe ich tagelang niemanden von meinen Bekannten gesehen und ich kam ausgezeichnet mit mir selbst klar. Ich war intensiv aktiv und auch intensiv passiv. Es wird Zeit, daß ich mal wieder längere Zeit allein bin.

Ich fühle mich in dieser Gegend nicht wohl, aber es ist nicht möglich, auszuziehen.

Stille! Wann habe ich zuletzt bewußt Stille erlebt? Ich weiß es nicht. Wie konnte es dazu kommen, daß die Menschen so geworden sind? Oder war es schon immer so? Wahrscheinlich. Mir wird die Sinnlosigkeit klar die ich vollziehe, wenn ich Montag wieder zur Schule gehe. Was kann ich denn da noch lernen? Fachwissen, das die meisten Schülerinnen nach der Arbeit wieder vergesssen, weil sie es nur auswendig gelernt haben und sich im Grunde gar nicht für die Menschen und die Gesellschaft interessieren. Lehrer, die zum größten Teil glauben sowieso alles besser zu wissen - ist es nicht auch sinnlos, zu schreiben? Doch wenn ich es schaffe, mit anderen die Natur und die Erde noch zu retten, ist es letzten Endes auch egal. Was soll das alles? Schafft es die Menschheit sich von all dem unabhängig zu machen? Und selbst wenn, was ändert das an der Tatsache, daß doch alles aus Materie besteht und irgendwann in einem schwarzen Loch verschwindet oder sich weiter wandelt. Egal, egal. In einer nur von Menschen geschaffenen Umwelt will ich noch nicht leben. In diesem Zwischenstadium ist es schon blöd genug.

Diese ganze Sinnlosigkeit hindert mich jedoch komischerweise nicht daran, manchmal glücklich zu sein. Sonnenuntergänge, sitzen am Fluß, Liebe - - - es müßte ja alles auch sinnlos sein. Aber wenn das nicht wäre, könnte man sich ja sofort umbringen. Ich lebe doch ganz gerne, es ist mal was anderes.

Ich schaffe es nicht, mit dem Rauchen aufzuhören. Wie schwierig ist es dann erst, eine richtige Drogensucht los zu werden? Ab und zu ein bißchen Hasch werde ich mir wohl genehmigen, aber nichts Härteres. Alkohol trinke ich auch sehr selten - ich muß nur dieses blöde rauchen los werden. Daher kommen doch Pickel, schlechte Zähne, schlechte Kondition, Husten, schlechter Schlaf und noch vieles mehr - - - und das Rauchen wird in der Werbung als so toll dargestellt. Voll die verarsche für Geld und ich mache da mit. Unglaublich.


 

13.04.1980


 

Mein Bruder war Heute da und wir sind im Wannebachtal gewandert. Herrlich, die für diese Gegend typischen Nadelwälder und die Licht- und Schattenspiele der Kiefernwälder haben mich fasziniert. Die etlichen Ameisenhaufen waren mit Drahtgestellen vor allzu neugierigen Betrachtern geschützt. Es ist beeindruckend, diese kleinen Tierchen bei ihren emsigen Arbeiten zu beobachten. Im Grunde kann man eine Entwicklung absehen, daß der Mensch bald auch in Ameisenstaaten leben wird. Dann ist alles individuelle abgeschafft.

Morgen beginnt die Schule wieder. Es gibt drei Möglichkeiten. Von der Schule fliegen, weil ich zu viel gefehlt habe, am vierten August das Schuljahr erneut antreten, oder aber ab sofort der Schule fernbleiben. Könnte nur sein, daß meine Eltern die Eziehungsbeihilfe zurückzahlen müssen, wenn ich jetzt schon der Schule fernbleibe. Ich muß mich erkundigen und bin echt gespannt, wie es weiter geht.


 

14.04.1980


 

Der erste Schultag nach den Ferien. Habe mich nicht erkundigt - weiß aber, daß es Ende April eine Konferenz gibt, auf der entschieden wird, wer zu den Prüfungen zugelassen wird und wer nicht. Da ich mit Sicherheit nicht zugelassen werde, muß ich also nur noch 14 Tage lang zur Schule gehen, um die bekommene Erziehungsbeihilfe nicht zurückzahlen zu müssen. Ich weiß, das ich ein Wiederholen des Jahres nicht durchhalten würde. Mir hat die Schule Heute dermaßen gestunken, daß ich keinen Bock mehr habe. Außerdem ist es egal, womit ich Geld verdiene. Auf die Anerkennung anderer Leute, daß ich ein Sozialpädagogikstudent bin, lege ich so wie so keinen Wert. Ich sehe ja Heute schon, unter welchen Bedingungen Sozialarbeiter arbeiten müssen. Die sitzen meist hinter einem Schreibtisch, und wenn sie mal in der Praxis arbeiten, dann meißt innerhalb eines Schemas das von Leuten erstellt wurde, die fast keine Ahnung haben. Es ist entschieden, daß ich staatliche Bildungsbetriebe links von mir liegen lasse. 

Ich habe Angst vor Menschen. Die bekannte Umgebung meines Zimmers grenzt mich von Aussen ab. Ich bin nicht der Selbe, wenn ich Draussen bin. Lasse ich mich wie ich bin im Zimmer zurück? Überall Augen und Blicke. Der Lärm, qualvoll und der Gestank der Industrie, der Autos. Bin nur auf der Flucht und mein Ziel ist immer nur der Ort von dem ich komme. Habe die Pforte hinter der mein Weg beginnt noch nicht gefunden - denn in meinem Zimmer ist sie nicht. Aber wie kann ich sie Draussen finden, wenn ich nur auf der Flucht bin? Wie ich im Moment lebe, komme ich kein Fitzelchen weiter. Deswegen kann der Entschluss, mich in eine andere Zelle zu begeben kein Fehler sein. Es geht darum, zu lernen und Erfahrungen zu machen. Für eine entgültige Entscheidung fühle ich mich noch nicht alt und reif genug. Alles zu seiner Zeit. Aber wie kann es sein, daß jemand nach der zehnten Klasse Realschule im Alter von sechzehn Jahren schon weiß, was er das ganze Leben lang machen will? Das kann ich nicht verstehen. Michael fing bei der Sparkasse an, als sei es völlig normal, so etwas zu tun.


 

15.04.1980


 

Ich habe doch glatt bis 12 Uhr geschlafen. Dabei hätten wir Heute eine Deutscharbeit über Franz Kafka und eines seiner Stücke geschrieben. Ich habe mich so toll vorbereitet - nicht um eine gute Zensur zu bekommen, es hat mich eben interessiert. Wa blieb anderes übrig, als im Sonnenschein zu liegen und zu lesen?

Suche langsam mal eine Halbtagsarbeit. PKW Fahrer wäre nicht schlecht, aber Postbote wäre optimal. Es hat mich genervt, daß auch Heute wieder der ganze Tag sinnlos war. Kaum alleine und konnte kaum etwas schreiben oder lernen. Morgen habe ich bis Abends Zeit.


 

16.04.1980


 

Heute kam der Entschluss nicht zur Schule zu gehen erst als ich das Mofa startklar machte, um dann in eine andere Richtung zu fahren. Folgendes habe ich unterwegs geschrieben:

Zwei Welten, deren geistige Dimensionen nicht ineinander greifen, treffen hier zusammen. Nach Aussen sieht es so aus, als gehöre ich zur normalen Gesellschaft, doch ist es nicht so. Dauernd werde ich durch vorbeifahrende Autos gestört. Die Allee, die ich seit einiger Zeit in Skizzen zeichne, beeindruckt mich sehr. Die krassen Gegensätze zwischen Natur und Zivilisation haben etwas reizvolles, doch nicht vergleichbar mit den Erfüllungen in der richtigen Natur. Gerade dann, wenn der Horizont nicht scharf erkennbar ist, entfaltet sich eine innere Ruhe, bei krassen Abgrenzungen jedoch will ich weiter. In der Wirkung sind alle Städte gleich, doch an Landschaften kann ich mich gar nicht genug ergötzen. Dörfer oder kleinere Städte gehen noch. Ein von weitem gesehener Kirchturm bringt schon ein bischen Geborgenheit.

Gerade habe ich das Schöne an Dörfern erlebt. Ein junges Mädchen fuhr mit dem Rad vorbei und sagte ganz freundlich "Guten Morgen". Ich habe den Gruss erwiedert und fühle mich glücklich. Diese Atmosphäre ist in der Stadt nicht zu finden... die Sonne, freundliche Menschen, Natur... gerade fährt ein Zug vorbei, der Fernweh und Reiselust aufkeimen lässt. Vorhin, als ich durch die lange, von mir betrachtete Allee fuhr, bin ich doch irgendwie am Standort geblieben und konnte mich so sehen wie ich zuvor die Autos gesehen habe, als ich dort zeichnete. Doch jetzt bin ich wieder zusammen.

Erspüre die Kraft der Sonne. Es ist herrlich warm. Hinter mir liegt Altendorf, vor mir Langschede. Dies "Morgen" von dem Mädchen klingt noch im Ohr. Wie schön wäre das Leben, wenn alle Menschen freundlicher wären... muß mich halt bemühen selbst anzufangen, damit es sich ausbreitet, so wie die Laune des Mädchens sich auf mich übertragen hat.

Es ist bestimmt keine Einbildung, daß mich viele Leute böse ansehen, wenn ich am Straßenrand sitze und schreibe oder zeichne, oder auch nichts offensichtliches tue. Die denken bestimmt: "Faulpelz, soll lieber arbeiten dieser Hippie." Ich höre das ja oft genug von meinem Opa. Im Moment sitze ich an einem See am Rande einer Siedlung. Hinter dem See ist eine Straße von der aus sich Autos im Wasser spiegeln. Da die Straße abschüssig ist sieht es aus, als würden Autos aus dem Wasser kommen oder dort hinein fahren. Ich habe Hunger. Käme jetzt jemand um die Enten zu füttern, wäre das gemein. Am anderen Ufer steht in prächtigem gelbgrün eine Trauerweide. Gerade wird ihr ebenso schönes Spiegelbild von einer landenden Ente zerrissen.

Jetzt sitze ich in der Nähe des Freischützes auf einer Bank und wäge die Vor- und Nachteile des weiteren Schulbesuches ab. Doch zu einer Entscheidung bin ich wie tausend mal zuvor nicht gekommen. 

Fange ein neues Ringbuch an. Von 1975 bis März 1980 habe ich zwar mehr geschrieben, vieles jedoch weg geworfen oder einfach nicht wieder gefunden. Es ist stilistisch und grammatisch nicht so gut, denn ich krackel alles schnell runter, hat aber den Vorteil, daß ich mich bewußter wahrnehme und öfter die Sinnfrage nach allem was ich tue, gestellt habe. Sicher, wenn man hartnäckig fragt, hat gar nichts Sinn. Meinte mehr den kleinen, alltäglichen Sinn. Darin kann ich mich verbessern. Wie immer, wenn man etwas Neues anfängt, oder eine Wandlung beginnt, nimmt man sich eine ganze Menge vor. Zusammengefasst heißt das für mich: Bewußter leben, kein rauchen, wenig essen, alles was ich tue bewußt tun, meditieren, alleine sein, und und und. Bin gespannt, ob ich Morgen zur Schule fahre. Im Moment tippe ich auf ja. Wird natürlich blöd, ist klar.


 

17.04.1980


 

Kann nicht zur Schule gehen. Ist doch Betrug an mir selbst, oder eigene Verarschung. Wenn ich Morgens im Bett liege und meine Mutter versucht mich in diesen Apparat zurückzuholen - - - kann nicht mehr schauspielern im richtigen Leben. Kann nicht sein wie ich bin. Wenn jetzt ein schlauer Professor kommt und sagt: "Das ist die Identitätskriese bei Heranwachsenden." Dann lache ich mal laut. "Das ist natürlich," sage ich dann. " Und die, die ihre Identitätskriese hinter sich haben, sind lediglich angepasst und geschliffen."

Erst sah es regnerisch aus, doch die Dunst- und Nebelschicht zieht schnell nach oben und die ersten Sonnenstrahlen kommen gerade durch. Jetzt habe ich schon wieder einen kleinen Käfer, der dauernd von innen die Fensterscheibe hoch krabbelte, aber nach zwei Zentimeter auf den Rücken fiel, die Treppe runter auf die Wiese getragen. Warum glaubt jeder Mensch, daß er etwas besonderes ist? Liegt es am Selbstbewußtsein? Ob Tiere ein Allbewustsein haben, wie ich es für mich wünsche?


 

18.04.1980


 

Gestern abend hat uns Pastor Marker von seinem Aufenthalt im Kloster erzählt. Am Ende der Zeit hatte er eine Erfüllung, oder wie man das auch immer bezeichnen mag. Wir haben den ganzen Abend über so etwas und über die Wege dahin geredet. Das hat mir Gewissheit gegeben, daß ich auf dem richtigen Weg bin. Danach habe ich die ganze Nacht den Lotussitz geübt. Will jeden Tag zu meditieren versuchen, bin auf der Suche. Die Sonne sinkt als rotglühender Ball hinter den Dächern in einen Horizont hinein, den ich von hier nicht sehen kann. Durch das geöffnete Fenster weht schon ein kühler Abendwind, der mich mit einer leicht fröstelnden Gemütlichkeit umgibt. Wozu das alles? Wozu Gefühle? Jetzt ist alles schon Vergangenheit, doch die Wirkung der Gefühle lebt weiter, sonst würde ich nicht hier sitzen und es aufschreiben. Ist es nur Zeitvertreib, weil ich nicht weiß, was ich mit der Gegenwart anfangen soll? Wahrscheinlich. Wird wohl lange dauern, bis ich mich zu den Erfüllten zählen darf. Hoffentlich werde ich die Entscheidung, nicht mehr zur Schule zu gehen, nie bereuen. Jetzt, wo ich mich für das freie Leben entschieden habe, stehen mir noch alle Möglichkeiten offen. So viel Geld muß ich gar nicht verdienen. Will keine Discobesuche, Schallplatten, Touristenurlaube, teure Autos- - - ein paar Bücher pro Monat, 82 DM für den Schriftstellerkurs, Miete und Essen oder Haushaltsgeld für meine Mutter.


 

19.04.1980


 

Die Tage verstreichen unerfüllt und angereichert mit alltäglichen Kleinigkeiten. Nichts Halbes und nichts Ganzes, wie man so sagt. Aprilwetter. Vorhin noch Hagel, Sturm und Regen - jetzt kommt die Sonne wieder durch. Bald ist meine Schachtel Zigaretten leer. Dann habe ich wirklich keine Möglichkeit mehr, Neue zu kaufen. Es muß doch irgendwie klappen, Nichtraucher zu werden. In der Übung des Lotusssitzses mache ich gute Fortschritte. Bin gespannt, wann ich ihn schmerzfrei kann. Was kann ich tun, um danke zu sagen? Danke, daß ich lebe, daß ich gesund bin, daß ich gerade im Augenblick glücklich bin mit dieser phantastischen Fernsicht, wobei die entferntesten Hügel von Sonnenstrahlen bemalt werden? Glück und Trauer sind nah beieinander in mir.


 

20.04.1980


 

Der neue Tag ist gerade 5 Minuten alt. Ich sehe die Rocknacht im TV mit Joan Armatrading im Moment. Schönes Gefühl, daß so viele Menschen in vielen Staaten und auch in der Sovjetunion das Selbe jetzt im Moment sehen. Die Rocknacht geht bis 5 Uhr Morgens und ich habe gerade das erste mal gegähnt.

Beate, Birgit, Andrea, Annette, Judith, Wiebke - wie sehr ich euch liebe. Aber ist das nicht komisch? Normal liebt man eine Frau und interessiert sich nicht für andere. Wie kann ich erklären, was ich empfinde, erträume, ersehne? Erst nach dem Tod werden wir vereint sein in ewigen Augenblicken, wo die Liebe das Einzige ist, wo Alles Eins ist.

Im Hals geht es mir echt dreckig, trotzdem habe ich mir noch eine Zigarette angesteckt. Ist die Letzte aus der Schachtel, wie so oft. So schwierig kann es doch nicht sein, mit dem Rauchen aufzuhören. Ich brauche nur nicht mehr dran denken, aber wenn ich mit Rauchern zusammen bin, muß ich ja dran denken. Ich gebe bis zu 40 Prozent meines Geldes für Zigaretten aus und habe schon länger kein Buch mehr gekauft. So mager sind meine Finanzen.

Meine Mutter hat jetzt nichts mehr dagegen, wenn ich erst mal ein Jahr oder länger arbeite. Irgendwann will ich das Abitur nachmachen, um Philosopie und Theologie zu studieren, aber nicht auf Lehramt! Gerade fällt mir ein, daß es nicht schlecht wäre, Tageszeitungen zuzustellen. Ich glaube, da verdient man bis zu 300 DM pro Monat. Ich würde auch auf Kinder aufpassen, aber da werden bestimmt nur Frauen gesucht. Das ist ganz schön ungerecht. Na ja, irgendetwas wird sich schon finden. Nur eine geregelte Arbeit in immer der gleichen Halle oder im Büro wäre mein geistiger Tod.

Heute habe ich zum ersten mal seit langer Zeit keine eigenen Zigaretten geraucht. Trotzdem waren es viele. Von meinem Vater, von Karin, von Michaela - - -mensch, wenn doch niemand rauchen würde - - -. Beim meditieren komme ich nicht zur Ruhe. Die Technik von Pastor Marker, bei jedem Atemzug von eins an zu zählen bis zehn und dann wieder von vorne, ist vielleicht gar nicht gut. Nach ein paar Minuten werde ich unruhig und es kommt der Drang, aufzustehen. Liegt es daran, daß ich noch etwas besitze? Ich habe mich nicht von allem losgelöst. Wo dein Schatz ist, wird auch dein Herz sein. Dieser Satz aus der Bibel ist eine krasse Weisheit, doch leider macht die Kirche aus Weisheiten Gesetze - das ist nicht so weise. Bin nervös. Überall, wo Haare den Hals berühren, muß ich mich jucken. Dann sitzt die Brille nicht richtig und an Stirn und Wange kratzt es. Keine Chance zu meditieren. Habe Heute Kaffee und Wein getrunken und Kuchen gegessen, ausserdem Ölsardinen und viel zu Mittag. Warum fällt es mir so schwer, bewusster zu leben? Fehlt mir der innere Halt? Oder bekomme ich erst einen inneren Halt, wenn ich bewusster lebe? Das wäre ja ein blöder Kreislauf aus dem ich nicht hinauskäme. Es wird besser werden. Es muß!


 

21.04.1980


 

Heute Morgen um halb sieben Uhr haben wir uns zum ersten mal zur "Frühschicht" getroffen. Frühstücken, beten und meditieren. Es ist wunderbar, solch einen intensiven, ruhigen Morgen zu erleben. Die alltägliche Welt wird zu einem Traum, das eigene Erleben ist vollendete Wirklichkeit. Danach war ich nicht in der Schule. Will das frühe Aufstehen beibehalten, es ist so besonders ruhig bevor der Tag beginnt.

Ich könnte mich übergeben. Ich brauch eine Zigarette. Kannn nichts anderes machen, als ans rauchen zu denken - - - in zwei Tagen ist das vorbei. Ich versuche etwas zu meditieren. Habe halbe Blättchen, Feuer, aber keinen Taback - es ist zum ausflippen - und ich wühle erst mal den ganzen Müll durch, ob da vielleicht noch Kippen drin sind. Einen Stummel habe ich gefunden und mit einer Pinzette bis zur Verkohlung der Lippen geraucht. Oh man ist das schwer, aufzuhören. Das blöde ist ja, daß ich es will, aber keine Kraft über meinen Körper und dessen Bedürfnissse habe. Jetzt will ich lieber gar nichts tun al etwas, das ich nicht will. Gar nichts tun ist Meditation.


 

22.04.1980


 

Jetzt muß ich zur Schule fahren. Etwas sinnloses, was mir auch noch zuwieder ist. Zigaretten besitze ich auch wieder. Gestern Abend beim Fernsehen konnte ich an nichts anderes denken. Ich fragte meine Mutter, ob sie mir Geld leiht, da gab sie mir eine Schachtel aus Vaters Vorrat.

Es ist eisig kalt im Zimmer, wie auch Draussen. Nicht auszuhalten, daß ich mich damit abfinden muß, wie Schule und Umwelt mich negativ beeinflussen und meinen Willen nehmen wollen. Zum Glück kann ich die Tage die noch Pflicht für mich sind, an zwei Händen abzählen. Sollte mir schon mal was zum Geld verdienen suchen.

Um 10 Uhr 23 war ein wichtiger Augenblick. Da habe ich mich von der Schule abgemeldet. So. Jetzt bin ich erst mal erleichtert und schlüpfe aus meiner langjährigen Zelle heraus. Hoffentlich gelingt es mir, mich nie wieder richtig einsperren zu lassen. Es war ein besonderes Gefühl, das letzte mal neben Judith in der Schule gesessen zu haben. Wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen, war aber nicht möglich. Bin zu hart. Jemand hat mal zu den Steinen gesagt: "Seid menschlich." Da haben die Steine gesagt: "Wir sind noch nicht hart genug."


 

23.04.1980


 

Der erste Wochentag, den ich legal ohne Schule verbringe, hat begonnen. Trau mich nicht so recht, bei den Stellenvergebern anzurufen. Eigentlich heißt es "Arbeitgeber", aber das ist falsch. Die Arbeit geben doch die, die arbeiten und der Chef nimmt die Arbeit von den Arbeitern entgegen. Er ist der "Arbeitnehmer" und nicht andersrum. Verlogene Gesellschaft. Da wird ein Fahrer für einen BMW gesucht, für sechs Stunden täglich. Traue mir gar nicht zu, mit so einem Schlachtschiff sicher zu fahren. Der Audi 80 von meinem Bruder hat mir schon zu schaffen gemacht und ich hatte bis jetzt nur einen R4, der mir leider nach drei Monaten durchgerostet ist. Als LKW Fahrer habe ich noch mehr bedenken, aber irgend womit muß ich ja mal anfangen. Nach dem Essen werde ich mich um einen Job kümmern. LKW fahren wäre super.

Der erste Versuch hat nicht geklappt. Zum Glück kann ich nur sagen. Der Chef suchte jemanden für mehrere Jahre. Ich gehe Morgen zum Arbeitsamt und schaue Samstag die Stellenanzeigen durch.

Das Leben ist herrlich. Meine Augen haben sich für den Frühling geöffnet, den Abend kann ich offen und gelassen erleben, weil dies unwohle Gefühl verschwunden ist, den nächsten Tag mit immer denselben Abläufen durchleben zu müssen. Jeder Tag ist nun ein Geschenk, ich freue mich und ich liebe das Leben.


 

24.04.1980


 

Heute waren nur wenig Stellenanzeigen in der Zeitung und keine davon kam für mich in Frage. Jetzt kann ich nicht mehr zum Arbeitsamt gehen, weil ich viel zu lange geschlafen habe und gleich schon mit Annette die nächste Gruppenstunde in Holzen vorbereiten muß. So eilig habe ich es nun auch nicht - bloß habe ich seit 14 Tagen kein Geld mehr. Das ist in dieser Gesellschaft nicht so angenehm.

Dieser Tag war wieder so ein Tag wie einer von vielen. Weder war etwas besonderes passiert, noch bin ich zu mir selbst gekommen. Eine kleine Arbeit habe ich schon, doch ich hätte lieber nicht zusagen sollen. Für 320 DM im Jahr muß ich alle vierzehn Tage den Rasen in Holzen hinter der Kirche schneiden. Das nimmt einen ganzen Namittag in Anspruch, aber ich brauche nun mal Geld. Nur weiß ich nicht, ob ich das Geld jetzt bekomme oder später. Frau Blaschke will Bekannte wegen Arbeit fragen und im AWO Zentrum könnte ich einen Miniclub leiten. Das sind vielversprechende Möglichkeiten, die sich da auftun. Mal sehen, was kommt.

Die Welt steht wieder einmal haarscharf vor einem Krieg. Ist dies vielleicht der letzte Frühling, den wir erleben? Möchte gern liebevoll leben, aber wo ist das möglich? Die Menschen verstecken sich und zeigen ihre Schale vor. Ich will ich selbst sein. Kein Titel, keine staatlich kontrollierte Ausbildung, kein Geld, keine Schale. Was bin ich wert?


 

26.04.1980


 

Es ist echt beschissen. In den Zeitungen steht kein vernünftiger Job und ich habe keinen Pfennig Geld mehr. In 20 Tagen wird die Rechnung von Schriftstellerkurs fällig und ich muß noch 7 DM an Heidis Bastelclub zahlen - das brauchte ich für Ideen im Kindergartenpraktikum. Muß auf jeden Fall zum Arbeitsamt gehen. Bein Skat spielen habe ich 1,50 DM gewonnen. Das ist das erste Geld, das ich seit meiner "Freiheit" verdient habe. Will mal genau über Ausgaben und Einnahmen Buch führen. 

Mein Bruder meinte, es wäre gut, bei Hoesch zu arbeiten. Die Schicht geht von 6 bis 14 Uhr incl. 3/4 Stunde Pause. Dafür bekommt man 1800 DM brutto, davon bleiben nach allen Abzügen 1300 DM übrig. Für zwei Monate wäre das nicht schlecht. Danach könnte ich zwei Monate Urlaub machen.


 

28.04.1980


 

Habe mich endlich aufgerafft und habe eine Stelle zum Rundschau austragen sicher. Hörder Straße, Heidestrasse und Heidekamp ist der Bezirk. Recht gross, aber die Frau die den Bezirk kündigt, macht es mit einem Auto. Morgen und Übermorgen fahre ich mit, um alles kennen zu lernen. Pro Zeitung bekomme ich 2,30 und pro Kassierung 2,05 DM und hinzu kommen noch mal 50 DM Kilometergeld. Insgesamt komme ich auf 350 DM pro Monat. Die Frau fängt schon um 4 Uhr an - ich muß aber nicht so früh anfangen, denn man muß erst gegen 6:30 - 7 Uhr fertig sein. Bin mal gespannt, aber eine Sorge bin ich nun los.


 

29.04.1980


 

Nicht schlecht. Bin gut aus dem Bett gekommen. Das Zeitung austragen wird kein Problem sein. Der Bezirk ist in der Nähe des Waldes, worin ich nach dem Job noch spazieren gehen kann.

Ich kenne keine Wirkung ohne Ursache. Es muß aber eine geben, die ich mir nicht vorstellen kann. Das wäre für mich Gott, egal in welcher Form oder Gestalt. Blöd, daß die meisten Menschen das nicht anerkennen wollen. Dann könnte man keine Urteile gegenüber Menschen fällen, denn niemand kann etwas dazu, daß er so ist wie er ist. Die Umwelt und alle Einflüsse bilden den Menschen, es gäbe keine Schuld. Wenn man alle Ursachen weiter zurückverfolgt, wäre Gott die erste Ursache und alles Gute und Böse ist von Anfang an mit erzeugt worden. Na ja, Böse ist ja schon eine menschliche Wertung. Kann ein Tier böse sein? Natürlich nicht. Nur aus Sicht der Menschen.

Die Ereignisse überstürzen sich mal wieder. Meine Mutter gibt mir jetzt 1500 DM, damit ich mir ein Auto kaufen kann. Echt irre. Kann das noch gar nicht richtig fassen. Bin trotzdem gegen Autos, aber ich kann es jetzt gut gebrauchen. Werde mal rumfahren und eins suchen. Hoffentlich gewöhne ich mich nicht daran und werde fett und faul - na ja, noch fauler geht ja kaum - fett werde ich wohl nie. Einerseits freue ich mich, doch auf der anderen Seite bin ich jetzt tiefer in die Abhängigkeit vom Geld geraten. Auweia. Doch mit einem Auto ist viel mehr möglich.

Tatsächlich, ich habe ein Auto. Es kostet sogar 2600 DM und hat 115000 km gelaufen. Ein VW Käfer in orange. Morgen muß ich zur Versicherung und nach Unna zum Strassenverkehrsamt. Hoffentlich schaffe ich das vor Mittag, dann kann ich das Auto sofort mit den Nummernschildern abholen.


 

01.05.1980


 

Seit ich das Auto habe bin ich nicht kein einziges mal dazu gekommen, etwas zu schreiben. War immer unterwegs. Muß das eindämmen, denn ich bin nicht ich selbst.


 

05.05.1980


 

Bin kaum noch auf meinem Zimmer um zu schreiben oder zu lesen. Ist diese Entwicklung nicht grausam? Mein ich verschwindet aber dazu darf es nicht kommen.


 

10.05.1980


 

Es dämmert wieder etwas in meinem Leben. Nach dem Zeitung austragen war ich im Wald. Es war herrlich. Kann das noch gar nicht erfassen. Das Schöne und Gute, das von mir Besitz ergriffen hat will ich nie wieder losslassen - dabei passiert es so schnell durch ein schlaffes und unbewußtes Leben, wie ich schon häufig bemerken konnte. 13 Jahre bin ich nun zur Schule gegangen und habe unzählige Morgen wie diesen verpasst. Das ist so traurig, dies eingesperrt sein in den Gewohnheiten.


 

19.05.1980


 

Bin in meiner neues Lebenszelle heimischer geworden. Kann mich besser verwirklichen, weil das Gefühl Morgen zur Schule zu müssen weg ist. Dieser Gefühlskiller.


 

21.05.1980


 

Habe Heute in Nähe der Hohensyburg auf einem liegenden Baum sitzend meditiert und bin sehr schnell zur inneren Ruhe gekommen, dann fingen die Gedanken wieder an. Aber das ist normal. Bin zufrieden. Soviel Freiheit kannte ich vorher nicht. Zu Hause ist immer jemand, der einem was sagen will. Ob drin oder Draussen. Ist wohl nett gemeint, aber es reißt mich aus meinen Gedanken und inneren Worten heraus. Habe selten eine Stunde für mich allein. Da ist es Draussen schon besser, wo kaum Menschen sind. Die Entscheidung mit der Schule aufzuhörhen war vollkommen richtig. Viele Leute sagen, daß ich sie bereuen werde, wenn ich älter bin, aber glaube ich nicht. Das ist nur das Gefühl der Leute. Die wollen mit ihrer Einstellung Recht behalten - sonst müssten sie ja auch einen eigenen Weg gehen und das können sie sich nicht vorstellen.

Herrliche Stimmung. Auf einem Parkplatz im Wald höre ich klassische Musik aus dem Autoradio. Deswegen muß ich leider im Auro sitzen bleiben. Der Kontrast zwischen den fast schwarzen Stämmen und den glänzend grünen, fast silbrigen Blättern ist wahnsinnig schön.


 

28.05.1980


 

Heute habe ich Lohn bekommen. 340 DM. Ist nicht so viel Geld wenn ich bedenke, was ich alles abzahlen muß wegen des Autos, den Steuern dafür und den Versicherungsbeiträgen und auch fürs tanken. Eigentlich ist alles Geld nur für das Auto da. Irgenwie blöd.

So richtig zu mir selbst komme ich selten, aber ich gelange öfter als früher zu einer annähernden Identität. Zusammenhänge erkenne ich schneller und kann sie nach logischen Gesetzen erklären. Meine Gedanken, mein Gehirn wird nicht mehr so viel mit unwichtigen Situationen wie noch in der Schulzeit, beschäftigt. Immer wenn ich "meine Gedanken und mein Hirn" sage, denke ich, daß ich das doch eigentlich bin und es trotzdem wie eine Art Eigentum betrachte. Das ist komisch.

Im Moment lese ich das Buch Simplicius Simplicissimus. Es erstaunt mich immer wieder, wieviel ich es auf Heute anwenden kann.


 

30.05.1980


 

Fühle mich topgut. Habe Zeit genug, so daß die Kinder- und Jugendgruppen in Holzen richtig Spaß machen und nicht nur als Verpflichtung empfunden werden wie noch in der Schulzeit. Will keine Lehre machen, einen festen Beruf ergreifen oder studieren. So kann ich mich viel besser entfalten, allerdings komme ich mit vielen Leuten nicht mehr klar. Die verstehen mich nicht oder wollen mich nicht verstehen. Ich werde Lebenskünstler und wenn das nicht klappt eben Eremit. Alles ist noch offen und ich tummel mich eben nicht auf der Spielwiese der Gesellschaft, wie es Studenten für eine gewisse Zeit tun um sich frei zu fühlen ohne frei zu sein.

Gestern hatte ich endlich Wiebke besucht. Sie hat mich eingeladen, sie im Sommerurlaub in Frankreich in Carcans zu besuchen. Vorgestern habe ich Claudia kennen gelernt. Es gab nichts oberflächiges zwischen uns. Sie ist auch in eine Richtung gegangen wie ich und wir waren bewußt Eins. 


 

02.06.1980


 

Höre gerade eine Sinfonie von Haydn. In den letzten Wochen liebe ich klassische Musik und bekomme oft Gänsehaut und muß lachen vor Freude und Ergriffenheit.Trotz Geldknappheit ist das Leben wunderschön - allerdings habe ich noch nie Hunger gehabt, oder war ernsthaft krank. Das ist schon was Besonderes. So will ich im Namen der Natur meine Triebe erfüllen und wachsam sein.


 

11.06.1980


 

Nach einigen kurzen Tiefs bin ich nun wieder auf der Höhe. Gestern war ich mit Claudia zusammen. Ihre Mutter sagt, daß ich einen intelligeenten Eindruck mache - na ja eigentlich ist es mir egal was so gesagt wird, gefreut hat es mich aber doch.

Heute war ich beim Arbeitsamt, weil ich einmal im Monat "Vorstellig werden muß" - so heißt das. Die hatten eine Stelle als Kraftfahrer für 5 Wochen als Urlaubsvertretung, aber ich fahre ja nächste Woche nach Frankreich. Das Wetter ist unbeständig, aber es ist erst 9 Uhr. Wenn ich um halb fünf Morgens aufstehe, denke ich immer, sofort nach dem Zeitung austragen wieder ins Bett zu gehen um bis Mittag zu schlafen. Doch nach den fast 2 Stunden actionbin ich nicht mehr so müde und wandele lieber den ganzen Tag lang bis spät in die Nacht einem angenehmen Zustand durch die Welt. Gestern Abend bin ich stoned Auto gefahren. Das war irre! Kam mir vor wie in einem Flugzeug und bin ganz sachte, ohne zu ruckeln gefahren. Tempo 50 kam mir vor wie 100. War im Augenblick ohne Vergangenheit, ohne Zukunft. Seit ich nicht mehr in die Schule gehe stoße ich in Bereiche vor, die mir vorher verschlossen waren - allein vom Lebensgefühl her. In den letzten Wochen fällt mir häufig auf, daß mich Leute fragen was ich werden will und was ich mache. Das ist typisch für die meisten Menschen. Niemand fragt was ich im Moment denke oder fühle. Claudia sagte: "Mit dir fühle ich mich überall wohl." Das hat mich sehr gefreut auch, weil wir uns da erst zwei mal getroffen hatten. Ist so schwierig, Empfindungen aufzuschreiben. Über Empfindungen reden ist noch schwieriger, wenn ich tiefer gehen will als üblich. Mit Tönen auf der Gitarre oder singend kann ich besser Gefühle ausdrücken. Spiele seit ich 15 bin Gitarre und dies Instrument ist ein fester Bestandteil meines Lebens, ähnlich wie ein Körperteil. Ist schon schön, daß sich alle Leute bei mir oder mit mir zusammen wohl fühlen. Vielleicht kann ich Empfindungen anderer gut verstehen und lasse nichts abprallen. Jetzt werde ich in Holzen den Rasen mähen und freue mich schon darauf.In Gedanken bin ich son im Urlaub. Morgen in einer Woche bin ich mit Henning und Jens schon unterwegs nach Frankreich. Bin mal gespannt, wie meine Rübe (Auto) das so aushält.


 

13.06.1980


 

Gestern Abend habe ich mit Henning meinen letzten Shit geraucht. Wir waren unheimloch gut drauf und hatten die gleichen Lachkicks wie in Frankfurt. Es ist unbeschreiblich, warum auf einmal alles lustig ist und man sich immer mehr darein steigert, bis man schließlich über alles, über jede noch so kleine Bemerkung lachen muß. Im Grunde ist das schon so verrückt, daß man, wäre es ein Dauerzustand, nicht lebensfähig wäre. Aber ich habe riesigen Respekt vor Drogen, ja - sogar Angst, die Kontrolle zu verlieren und nicht wieder "normal" zu werden, falls man bei mir überhaupt von "normal" sprechen kann. Normal bedeutet, wie das Wort schon sagt: Im Sinne der Norm, also wie die meisten Menschen. Nu ja, weltweit gesehen ist ein normales Verhalten schwierig fest zu legen. Da gibt es so viel Verschiedenes. 

Heute in einer Woche sind wir schon auf der Autobahn. Ich genieße die Vorfreude auf den Reisezustand und auf weite Strecken mit unzähligen Eindrücken aus Landschaften, Dörfern, Städten und Menschen. 

Heute ist Freitag der 13. Da haben abergläubige Menschen sicherlich viel Pech und Unglück. So ein Quatsch. Fast so schlimm wie die Sprücheklopferei: Was man hat, das hat man. Was nicht ist, kann noch werden. Wer nicht will, der hat schon. Auf einem Bein kann man nicht stehen. Manchmal kann ich drüber lachen, aber meist finde ich es blöd. Es ist eine Mentalität wie die Belegschaft des ersten Kindergartens, in dem ich Praktikant war. Nicht wirklich auszuhalten.


 

26.06.1980


 

Ich war nur fünf Tage im Urlaub. Es war doof. Erst mal waren wir fünf Leute in meinem Käfer und drei davon hatten noch einen großen Tramperrucksack mit dabei. Freunde von Henning. Ich kann ja schlecht nein sagen, wenn Henning mich fragt, ob die bis Bordeaux mitfahren können. Gezahlt haben die natürlich auch nichts. Voll anstrengend immer mit fünf Leuten zu überlegen, was man macht, wo man hält, wo man hingeht, wo man einkauft. Ne - so etwas brauche ich wirklich nicht. Bin froh wieder hier zu sein.


 

07.07.1980


 

Im philosopischen Sinn bedeutet Substrat: "Eine eigenschaftslose Substanz eines Dinges als Träger seiner Eigenschaften." Könnte ich mein ungestaltetes Ich als Substrat bezeichnen? Oder ist gar alles erst mal eigenschaftslos, weil nichts ohne Ursache passiert? Da es aber doch Wirkungen gibt, muß es eine Ursache am Anfang gegeben haben. Ist das der Gott der Christen? Oder Gott, Urknall - was auch immer? So ist es eine Tatsache, daß alles was passierte und passiert, vorbestimmt ist. Es gibt keine Möglichkeit anders zu handeln, als die ursprüngliche Ursache es in Gang gesetzt hat. Ich folge im Moment meinen Bestimmungen und es wird so bleiben. Warum wurde im christlichen Glauben so vieles personifiziert? Als wäre es von einzelnen Personen abhängig, was geschieht. Bin mal gespannt, wie die Leute reagieren wenn sie erfahren, daß sie nicht umweltfrei und weltoffen sind, sondern genau wie Tiere umweltgebunden. Wahnsinn, was einem in der Schule für ein ein Scheiss beigebracht wird. Macht mich diese Erkenntnis jetzt stark oder schwach? Lasse ich mich jetzt fallen, fließen, schieben, oder gehe ich meinen Weg, an dessen Start ich gerade erst stehe, bewußt, selbstbewußt und zielorientiert? Die Entscheidung die ich fälle, jede Entscheidung die ich fälle, ist die, die mir möglich ist. Ob gut oder schlecht, richtig oder falsch, weiß ich vorher nicht. Kann mich nur so entscheiden, wie es durch die Ursachen die mich betreffen, bewirkt wird. "In Allem ist Gott." "Alles ist ein Zeichen Gottes." Wie wahr es doch ist. Wenn jemand alle Wirkungen und deren Ursachen zurückverfolgt, wird man, da es für jede Ursache eine andere, frühere Ursache gibt, zur ersten Ursache, nämlich diejenige, die ohne vorheriger Ursache geschehen ist, kommen. Zum Beispiel, daß ich gerade den Kopf anhob. Die Ursache dafür war das lautere Vogelgezwitscher als üblich. Dessen Ursache ist vielleicht meine Katze, die auf der Wiese ist. Die Vogelstimmen sind also nicht nur Ursache, sondern auch Wirkung. Um die Katze auf der Wiese zur Wirkung werden zu lassen, muß ich wie Wirkung sein, denn ich habe sie aus dem Haus gelassen... das lässt sich immer weiter zurückverfolgen, bis zum Einzeller, bis zur Entstehung der Milchstraße und immer so weiter und weiter als ich es erfassen kann. Das theoretische Ende dieser Kette nenne ich "Gott". Ich kann mir nicht vorstellen, wie die erste Ursache gewirkt hat. "Alles muß angestoßen werden, bevor es sich bewegt." Aber auch muß alles erst mal erschaffen werden, bevor es angestoßen werden kann. Oder ist absolut null Bewegung gar nicht möglich? Für meine bescheidenen Vorstellungen ist das die Grenze des Denkens. Für mein Leben bedeutet das: Ich darf niemandem wegen seines Verhaltens böse sein. Ich darf nur durch mein Verhalten dazu beitragen, daß der Einfluß dessen, was ich als "böse" bezeichne, verringert wird. Das geht aber nicht so: "Schaut her! Ich bin richtig! Ich bringe euch bei, wir ihr sein solltet." Man kann jemandem nur Möglichkeiten anbieten, die er nutzen kann oder auch nicht. Den Satz aus der Erzieherausbildung liebe ich:" Lernen ist Verhaltensänderung aufgrund von Erfahrung." Wurde Jesus als Vorbild für die Erziehung von Kindern erschaffen? Weise Menschen schaffen Figuren um die Erziehung und die Vorstellungskraft der Menschen positiv zu beeinflusse n.

Ich habe gerade alles was ich bisher in diese zwei dicken Kladden gechrieben habe, durchgelesen. Bin ich wirklich so, wie ich mich mitzuteilen versuche? Habe ich ein offenes und unverfälschtes Bild von mir abgegeben? Ich glaube ja. So könnte ich diese Kladden verleihen, damit mich Bekannte besser kennenlernen. Hätte das Sinn? Will mich überhaupt jemand kennen lernen, oder wollen die Menschen nicht viel lieber sich selbst darstellen anstatt zuzuhören. Weiß nicht. Jedenfalls hätte ich sauberer schreiben sollen. Mein kleines Fazit aus dem Bisherigen: Ich rauche mehr als zuviel, das Autofahren habe ich eingesschränkt, obwohl der Wagen sehr sparsam ist. Die Abmeldung von der Schule war das einzig Richtige für mich. Alles andere wäre Flucht und Selbstbetrug geworden. Ich konnte mich nicht in vorgefertigte Gebilde zurückziehen und den Zeitpunkt meiner individuellen Verwirklichung immer weiter zurückschieben, bis ich schließlich auf dem Totenbett kurz vor den letzten blutigen Atemzügen merke, nie wirklich gelebt zu haben, so daß nach dem Tod Nichts bleibt, weil ich vorher schon Nichts in einer menschlichen Schale war. Na ja, war zwar kein Fazit, aber so denke ich nun mal. 


 

09.07.1980


 

Ein Blick aus dem Fenster verrät wie der Tag wird. Lege mich wieder schlafen, Zeitungen sind augetragen, Heute ist es beser, die Stunden zu verschlafen, anstatt zu versuchen, sie auszufüllen. Gute Nacht!


 

10.07.1980


 

Wieder das Gleiche. Genau wie Gestern habe ich in der Nacht nicht geschlafen und bin nach dem Zeitung austragen saumüde. Gute Nacht.


 

12.07.1980


 

Das ist der regenreichste Sommer, an den ich mich erinnern kann. Seit einem Monat war es nicht mehr sonnig und warm. In dieser zersiedelten und industriereichen Gegend ist es zwar nie besonders schön, aber im Sommer war es bis jetzt noch gut auszuhalten. Ich bleibe ungern in Deutschland, es ist hier nicht schön - und wie das Land, so sind auch die Menschen. Identitätslos. Ist das der Preis für das, was man hier Wohlstand nennt, was aber mit dem Wortteil "wohl" nicht viel gemeinsam hat? Vereinsamung, Konkurenzdenken, Erziehung in ein System, aus dem man sehr schwer wieder herauskommt. 

Mit Birgit war es Heute super. Wir hatten Michaela zu einer Fete gefahren und wurden selbst eingeladen. Die Leute waren zum größten Teil schon richtige Karrieretypen und Jurastudenten. Sie mußten mit ihrem tollen Essen prahlen, waren aber trotzdem sehr nett.

Montag werde ich die Stelle als Zeitungsbote kündigen. Da die Kündigungsfrist einen Monat beträgt, will ich schon mal vorsorgen. Es ist die totale Ausbeutung. Ich schädige doch schon fast mein Auto mehr, als ich Lohn bekomme. Das kassieren nimmt Nachmittage in Anspruch, das ist echt scheiße. Was ich nicht kassiert habe, ziehen sie vom Lohn ab. Montag gehe ich auch zum Arbeitsamt, um mir eine Stelle als Fahrer zu besorgen. Bin mal gespannt, ob es klappt. Bevor ich mach Frankreich fuhr, hatten die ja auch schon eine Fahrerstelle. Hoffentlich kann ich genug für meinen nächsten Griechenlandurlaub im Herbst verdienen. Probleme sind nicht zum lösen da, sondern um die Spannung des Lebens zu erhalten.


 

17.07.1980


 

Ich beitze jetzt nichts mehr, ausser ein paar Möbelstücke, Bücher, Schreibzeug, Papier, Klamotten zum anziehen und ein Auto. Den ganzen Krimskrams, der sonst noch in meinem Zimmer herumflog, habe ich für dem Flohmarkt, der beim Gemeindefest stattfindet, gespendet. Fühle mich so viel besser, habe meinen Aufräumtick aber noch nicht ganz befriedigt und werde noch die ganzen Papiersachen ordnen.


 

08.07.1980


 

Das Austragen der Zeitungen nervt mich von Tag zu Tag, oder besser gesagt von Nacht zu Nacht mehr. Krass ist es, so früh au dem Bett zu kommen, oder Abends früh genug müde zu werden. Geht gar nicht. Morgens würden viele Menschen, wenn es nach ihrem Willen ginge, im Bett bleiben. Aber ist ja auch egal. Jedenfalls werde ich ausgebeutet und habe dazu noch Schäden am Auto. Kann ja für einen Motor nicht gut sein, zwei Stunden am Tag ständig an und aus gemacht zu werden und nur so Ministrecken zu fahren. Ohne Auto wäre der Bezirk zu groß. Das sind über fünf Kilometer pro Tour.


 

21.07.1980


 

Meine Zukunft ist noch offen. Nicht wie bei den meisten Menschen liegt vor mir nur ein einziger Weg, den ich gehen muß. Es ist immer noch Regenwetter. Nach dem Zeitung austragen bin ich komplett nass, die Arme sind schwarz von der Druckerschwärze und ständig beschweren sich Leute, weil die Zeitungen nass sind. Vielleicht sollte ich mal eine Zeit lang krank feiern, aber das ist nicht meine Art. Wäre ja gelogen und es ist schön, nie krank zu sein.


 

24.07.1980


 

Gestern war ich mit Heinz per Zug an der Nordsee in Wilhelmshaven und in Norddeich. Das Wetter war herrlich. Endlich wieder Sonnenschein. Sein Vater ist auch bei der Bahn und er hat wie ich diese acht Freifahrten pro Jahr. Es war etwas stressig - vielleicht auch, weil wir vorher die Nacht durchgemacht haben, wegen der Zeitungen. Heute ist es auch wieder sehr warm. Es ist zu schade um Schlaf nachzuholen, falls so etwas überhaupt geht. Das Leben ist echt irre. Es lebe der Wohlstand. Da machen sich die Leute kaputt und merken es gar nicht, oder sagen es nicht. Wem kann ich die Schuld geben? Ist mir im Moment auch egal, es würde ja doch nichts an den Tatsachen ändern.


 

02.08.1980


 

"Going home" von Ten Vears After ist ein wahnsinniges Lied! Eine Gänsehaut am ganzen Körper ist das Mindeste was ich dabei bekomme... manchmal auch Lachkrämpfe. Es ist als wäre ich stonend. Das ist perfeckt. Dieses Lied wird mich mein Leben lang begleiten, dabei ist es ziemlich primitiv.


 

Heute habe ich geträumt, dass ich mit Wiebke spazieren ging....wir trafen Leute die ich kannte und Wiebke war von Einem der Beiden so beeindruckt, daß sie ihn sofort geküsst hat. Sie ging genau so lachend auf ihn zu wie auf mich, als ich sie in Carcasonne besuchte.


 

Da liegt sie nun vor mir, die Karte die du mir aus Frankreich geschickt hast.... viele Grüße und bis bald, Wiebke...schreibst du am Ende...hoffentlich bis bald. Ich möchte dich gern näher kennen lernen. Du bist wie ein Idol für mich! So klar, eindeutig und konsequent wie du bist kenne ich niemanden persönllich, glaube aber auch, dass du eine Make präsentierst. Das wäre mir sogar lieber! Denn so etwas von Vollkommenheit wie ich in dir sehe gibt es gar nicht. Du sagtest, ich solle mit dem Rauchen aufhören...ja, haha - habe Heute einen kleinen Fortschritt gemacht. Habe nichts geraucht was mir gehörte.


 

Ich mache mich auf den Weg dorthin wo ich vor meiner Geburt war. Vereint wie ich es kaum noch erahnen kann "I´m going home" bis ich nur noch Bewegung bin die sich harmonisch dem Lauf der Dinge anpasst, bis ich nur noch im Nichtsein bin, was alles Sein beinhaltet.

Aber jetzt bin in Unvollkommen. Die Erkenntnis hat sich noch nicht in die Tat umgesetzt. Der Weg ist immer noch nicht betreten worden, ich werde noch festgehalten.


 

04.08.1980


 

Gestern und Heute habe ich viele Leute kennen gelernt. Ganz andere Leute als ich sie bisher kannte. Leute die dabei sind Lebenserfahrungen zu machen die nicht bis ins Letzte hinein geplant sind. Sonst gehen die Leute zur Penne oder machen eine Lehre. Bei denen ist schon alles klar. Die haben nur so persönliche Probleme oder theoretische. Die Neuen aber wie ich auch, praktische Erfahrungen wie mit Wohnung, Geld, Ausbildung und so weiter....


 

05.08.1980


 

Komme gerade aus Bielefeld zurück. Bodo und ich haben Serife zum Kloster gebracht und sind danach wieder zurück getrampt. Da es nun die zweite Nacht ist die ich durchmache, bin ich ganz schön fertig. Bodo auch, doch er muss schon in 3 Stunden aufstehen... ich habe mich fürs Zeitung austragen untauglich schreiben lassen... armer Bodo!

Ich bin sehr glücklich!


 

06.08.1980


 

Ich will nicht mehr zu Hause wohnen! Denn das ist die Ursache für mein jetziges scheiß hin und her leben, wo ich nichts mehr schaffe. Bin zu kaputt zum Schreiben, ich schaffe gar nichts mehr...scheiße, scheiße, scheiße. Die Gesellschaft wird mich nie fangen. Lieber lebe ich so blöd weiter, aber so saublöd wie in der Geslelschaft werde ich nie leben.


 

07.08.1980


 

Bei der Post kann ich keinen Job bekommen - hatte schon fest damit gerechnet, aber nein, ich soll wohl nicht ausziehen können, dabei bräuchte ich es im Moment so dringend für meine Entwicklung. Aber ich gebe noch nicht auf, es wird sich schon etwas finden. Mit 500 DM im Monat könnte ich sogar das Auto behalten. Ist das denn nicht möglich?

Ich bin sehr unzufrieden mit mir selbst. Die Tatsache dass ich keinen guten Job finde ist gar nicht so schlimm. Schade istv nur, dass ich in meiner Freizeit nichts mit mir machen kann. Ich schlafe bis Mittags und schlure so durch das Leben. Im Moment trage ich keine Zeitungen mehr aus. Aber wenn ich deswegen früh aufstehe läuft der Tag ja auch nicht anders ab. Im Moment frage ich mich schon wieder, od es Sinn hat auszuziehen....dann bin ich abhängiger...doch ohne Abhängigkeit geht es ja nie.

Mensch, das Leben ist so vollgepropft mit relativ unwichtigen Sachen. Und was machen ich? Ich nehme sie so sehr wichtig... gerade fällt mir ein, dass ich noch das Gelld füt die Zeitungen kassieren muß. Das ist auch so eine unwichtige Sache, deren Nichterfüllung allerdings dazu führt, dass mir nicht bezahlte Zeitungen vom Lohnabgezogen weden. Was für ein Qatsch. Diese Sachen nehmen mir die Möglichkeit zu mir selbst zu finden. Ich will jetzt nicht kassieren und in Holzen muss ich noch den Rasen mähen....die Geister die ich rief werde ich nunnnicht mehr los.

 


 

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